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Autogene Folgeschäden

Nach vielen abgestandnen Jahren
nun zum Methusalem gereift,
möcht ich das Bild doch auch bewahren
‘ner Jugend, die auf morgen pfeift.

In diese Welt hineingeboren
als unbedingter Optimist,
nimmt man mit sämtlichen Sensoren
sie einfach hin, so wie sie ist.

Die Fähigkeit, Kritik zu üben,
liegt anfangs ja noch völlig brach
und kommt in unverhofften Schüben
‘ne Reihe Jahre erst danach.

Was Leibniz aus dem Hirn sich presste,
das hätt ich eh noch nicht gerafft,
doch dass die Welt die allerbeste,
das war mir niemals zweifelhaft.

Die Reste selbst vom Bombenfeuer,
Ruinen warn ein Paradies,
in denen wie in Burggemäuer
es wunderbar sich spielen ließ.

Noch zeichnete das Kopfsteinpflaster
den Wegen ihre Richtung vor,
bevor der Pkw und Laster
an den Asphalt sein Herz verlor.

Kaum mal ein Wagen dieser Sorte
durch die verwaisten Straßen kroch,
man querte fast an jedem Orte
die Fahrbahn ohne Eile noch.

Die Straße stand dem Fußball Pate,
ein Spielfeld überall zur Hand,
und wenn sich mal ein Dreirad nahte,
ging kurz man an den Rinnstein-Rand.

Doch wie sich alles mählich wandelt
im Schneckentempo, spürbar kaum,
hat auch das Kraftfahrzeug verschandelt
so nach und nach den Lebensraum.

Denn was zunächst nur der Solvente
sich leisten konnt als Steckenpferd,
wurd bald schon, auch dank Omas Rente,
zum Volks- und zum Prestigegefährt.

Und Tausende von Gummireifen,
noch lange vor dem ersten Stau,
sie wollten in die Ferne schweifen
zur Freude für den Straßenbau.

Bald zog ein Netz asphaltner Fäden
sich eng geknüpft durch Wald und Flur
mit all den ungezählten Schäden
für unsre Landschaft und Natur.

Romantik untern Fuß getreten,
das Blechle wurd zum Kind der Zeit,
und falls wir noch zu Göttern beten,
dann höchstens um Geschwindigkeit.

Doch nicht nur auf dem platten Lande
bewies die Kiste ihre Kraft –
in jedem Dorf am Straßenrande
hat sie Vertrautes abgeschafft.

Wo sich mit grobem Pflastersteine
der Weg einst um die Ecke wand,
streckt grade sich wie eine Leine
der Fahrbahn künstlich glattes Band.

Und rechts und links die hübschen Katen,
die man seit je als Einheit kennt,
sie sind wie zwei verschiedne Staaten
durch eine Grenze nun getrennt.

Der Krämerladen ist verschwunden.
Das Auto braucht den Supermarkt,
wo man, besondrer Dienst am Kunden,
großräumig vor dem Eingang parkt.

Genauso braucht es eine Stelle,
an der es seinen Kraftstoff tankt,
weshalb an vieler Dörfer Schwelle
jetzt „Shell“, „BP“ und „Esso“ prangt.

Um kundennah es zu vertreiben,
hat sich ein Händler etabliert,
der hinter Mammutfensterscheiben
die schicksten Marken präsentiert.

Das heißt, die alte Dorfidylle
verschlungen wurd mit Mann und Maus,
ersetzt durch pure Leibesfülle
von Supermarkt und Autohaus.

All diese Dörfer, Weiler, Flecken,
einst schön und unverwechselbar,
sie gleichen sich an allen Ecken
inzwischen beinah bis aufs Haar.

Lohnt sich’s denn, hier mal anzuhalten?
Die Herrlichkeit ist längst dahin,
und denen, die auf Bleifuß schalten,
fehlt sowieso dafür der Sinn.

Die Typen, die im Wagen hocken,
sind baulich eher tolerant.
Die einz’ge Art, sie anzulocken:
‘ne Tanke und ‘n Würstchenstand.

Soweit indes zur Blechlawine.
Der Ausdruck ist durchaus korrekt,
wenn man mit säuerlicher Miene
inmitten ‘ner Verstopfung steckt.

Doch besser wär es, zu verwenden
ihn mehr im Sinne der Gewalt,
die aus der Berge losen Lenden
sich talwärts zum Verderben ballt.

Wie die in ihrem Sturz, im steilen,
‘ne Schneise der Verwüstung schlägt,
so hat in weiten Landesteilen
Asphalt die Flora weggefegt.

Muss man sich das gefallen lassen?
Der Motorsäge freie Bahn? –
Der Mensch versteht sich anzupassen,
danach kräht heute mehr kein Hahn.

Und doch lässt mich dies Bild nicht ruhen
von Straßen, die erstaunlich leer,
da noch in seinen Kinderschuhen
der heute riesige Verkehr.

Wird man sich einmal fortbewegen,
die Füße weit entfernt vom Grund,
dem Vogel gleich mit Flügelschlägen
zig Meter überm Erdenrund?

So dass der Globus untern Hachsen
mit Abstand wieder artgerecht,
die Chance hat, zu überwachsen
der Pisten giftiges Geflecht?

Zu hoffen bleibt es und zu bangen,
dass sich die Flurn regeneriern –
und uns die alten Autoschlangen
zu Himmelsdrachen nicht mutiern.

Autonarren

Erfinder heißen, die erfunden,
was irgendwem womöglich nützt,
und in Erwartung vieler Kunden
ihrn Geistesblitz patentgeschützt.

Doch manche Hoffnung hat getrogen,
die als begründet eingeschätzt,
und sich trotz schönem Werbeslogan
am Markt nicht richtig durchgesetzt.

‘nem andern ist ein Wurf gelungen,
an den er nicht im Traum gedacht,
und so in Sphären vorgedrungen,
in denen man Millionen macht.

Doch beide sind von gleichem Geiste
beflügelt wie der Alchimist –
dass ihre Kolbenschöpfung leiste,
was eigentlich unmöglich ist.

Der Alltag strotzt von solchen Dingen,
die int’ressierten erst kein Schwein,
bis plötzlich sie auf goldnen Schwingen
in jeden Winkel zogen ein.

Das ging nur, weil die guten Seiten
allmählich besser man erkannt –
ein Zuwachs an Bequemlichkeiten
und Ansehn für den Bürgerstand.

Und niemand ließ sich jetzt noch stören
durch manches skeptische Gesicht –
man mochte wohl Kassandra hören,
doch glauben mochte man ihr nicht.

Ein Beispiel nur, doch das nicht ohne:
Der Wagen, der Profil gewann.
Einst Spleen der Bosse und Barone,
den jeder sich heut leisten kann.

Am Anfang schwer nur zu verkaufen,
macht‘ auch der Fiskus kein Trara,
ließ sogar wen vorweg noch laufen
zur Warnung: 20 km/h!

Doch als er immer mehr die Schwelle
zur Massenware überschritt,
ging auch die tolerierte Schnelle
nach oben mit der Steuer mit.

Wir wissen, was daraus geworden.
Es blieb nicht bei dem Zuckeltrab.
Zu immer neuen Speed-Rekorden
den Pferden man die Sporen gab.

Schnell konnt man auf ‘nen Typ verzichten,
der warnend seine Flagge schwingt:
Er lässt sich heute nur noch sichten,
wenn er Boliden „Einlauf“ winkt.

Die Angst vorm Risiko geschwunden?
Gewiss doch. Doch nicht von allein.
Da haben Kräfte sich gefunden,
die redeten es ständig klein.

Verschwindend. Aber dafür priesen,
was für ein Vorteil uns entsteht:
Zu fahrn, wohin die Winde bliesen –
o Freiheit der Mobilität!

Die komödiant’schen Profiteure
beherrschten blendend ihren Part,
wenn man so sieht, dass Trauerchöre
viel passender zur Gegenwart.

Was hätten diese zu beklagen?
‘ner Iphigenie Opfertod?
Nein, dass durch kriegerische Wagen
Millionen ein Massaker droht!

Ihr glaubt, ich würde übertreiben?
Das sieht nur so für einen aus,
der denkt, ein paar kaputte Scheiben,
mehr kommt bei so ‘nem Crash nicht raus.

Die Sicherheit ist doch gestiegen
mit Anschnallpflicht und Rettungssack,
und neue Brüssler „Spitzen“ kriegen
wir täglich fast im Doppelpack.

Das heißt auf seinen Bauch vertrauen,
statt gründlich sich zu informiern;
wenn auf Statistiken wir schauen,
wir jede Illusion verliern.

Ihr Leben lassen auf den Straßen,
so stellen sie ernüchternd fest,
die Menschen derart ohne Maßen,
dass einen es erschauern lässt.

‘ne ganze Stadt von Münchens Größe,
1,3 Millionen schwer,
wird Opfer der Zusammenstöße
weltweit und jährlich im Verkehr!

Und das wird in den Wind geschlagen!
So sicher wähnt man das Gefährt,
dass es vom Braut- zum Leichenwagen
für tausend Zwecke heiß begehrt.

Verdrängung sowie Imagepflege,
wie jede Marke sie betreibt,
verhindern, dass die Schicksalsschläge
der Kiste man aufs Konto schreibt.

Der Blutzoll, den so viele zahlen,
wem wär er ständig auch bewusst?
Und Satan an die Wand zu malen,
erhöht nicht grad die Lebenslust.

Drum wird man fröhlich weitermachen,
solang nicht selbst dahingerafft.
Doch hört bei andren man es krachen –
dann bleibt man gerne stehn und gafft.