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Verschiedene Aussichten

Verschiedene AussichtenJetzt sind sie weg, die Hütten eher
als Häuser man zum Wohnen heißt,
gekappt vom großen Rasenmäher,
dem Bagger, der nur niederreißt.

Und in der Lücke, die geschlagen,
damit sie ein Investor schließt,
inzwischen auch die Türme ragen,
aus denen ihm die Kohle fließt.

Die fast bis an den Himmel reichen
mit ihren Balken, Sparrn und Spiern,
um die Profite einzustreichen,
die aus der Höhe resultiern.

Als Nachbar würd ich nicht behaupten,
dass mir der neue Blick gefällt –
die Steine, die sich höher schraubten,
ha’m ziemlich mir die Sicht verstellt.

Doch damit lässt es sich ja leben –
kein Beinbruch für das Aug, das schweift,
nur: Wo hat der sich hinbegeben,
dem man das Dach vom Kopf gestreift?

Ich grüß euch, strahlende Fassaden,
die ihr aus Schutt geboren seid,
und mit euch diesen Luxusladen
und das Hotel im Sternenkleid!

Wo habt den Bruder ihr gelassen,
die Schwester, die den Ort bewohnt?
Sie starben unter Ziegelmassen,
hat auch der Bagger sie verschont.

Voller Fundus

Voller FundusWird mir der Vorrat denn an Reimen
nicht eines Tags zu Ende gehen?
Dies hübsche Aneinanderleimen
von Wörtern, die sich ähnlich sehn?

Schon jetzt hab manchmal ich’s Empfinden,
dass vieles ständig wiederkehrt
und sich im Gleichklang nur verbinden
‘ne Handvoll Silben, die bewährt.

Gewiss kann man sie kombinieren
auf tausendfach verschiedne Art –
doch nur, wie Kräuter variieren,
wenn man den gleichen Eintopf gart.

Dem gilt, Poet, es vorzubeugen:
Die Sprache, die dein A und O,
ist, wie die Größten grad bezeugen,
ein unerschöpfliches Depot.

Geh meinetwegen mit Laterne
bei Stille und bei Sturmgebraus,
bei Tag und Nacht in die Kaverne
und fisch dir die Kleinodien raus!

Ist es der Fülle anzulasten,
verliert sie jemand aus der Sicht?
Vorm reich gedeckten Tisch zu fasten,
geziemt dem Mönch – dem Barden nicht.

Um Vorräte ist mir nicht bange,
man schürf nur fleißger nach ‘nem Fund:
Nicht zaghaft mit der Zuckerzange –
mit Baggern bis zum tiefsten Grund!

Hörbuch

Hörbuch2Was hat in seinem Wissensdrange
der Mensch nicht alles spitz gekriegt,
und ist doch vieles, was schon lange
im Dunkeln unbehelligt liegt.

Noch offen, wenn ich mich nicht täusche,
ist die, gewiss von großem Wert,
Kulturgeschichte der Geräusche,
die uns der Laute Wandel lehrt.

Die müsste wer mal vor sich nehmen,
der mit Phonetik gut vertraut
und diesen Laut-und-leis-Extremen
historisch auf die Finger schaut.

Warn dermaleinst vielleicht die Glocken
das Lärmigste in Stadt und Land,
das Volk zum Gottesdienst zu locken,
zu warnen auch bei Sturm und Brand?

Und kommt vielleicht an zweiter Stelle
der morgendliche Hahnenschrei
als Herold erster Tageshelle
und dass es Zeit zum Placken sei?

Und dann das Rumpeln und das Knarren
als Echo eines stein’gen Stegs,
wenn reifbeschlagne Bauernkarren
mit Kraut und Rüben unterwegs?

Vernehmlich auch das Hundebellen,
das bis zum nächsten Dorfe drang,
wo selbst noch in den sichren Ställen
die Viecher furchtsam auf Empfang.

Doch glaub ich, das Gebrüll der Bullen
noch alles andre überstieg;
dagegen warn die Schweine Nullen
mit ihrm Gegrunze und Gequiek.

Der Ruf des Kuckucks, Gänseschnattern,
die Kirmes mit Gejohl und Schwof,
die Hühner, die in Panik flattern,
zeigt sich der Fuchs auf ihrem Hof.

Das wär so meine Blütenlese
an Klängen der Vergangenheit,
so eine Art von Anamnese
für dieses chron’sche Ohrenleid.

Der Pegel ist seitdem gestiegen –
wie, wüsst ich gern in Dezibel.
Maschinen in den Lüften fliegen
wie einst der Engel Gabriel.

Und auf den Straßen röhrn Motoren,
da kommt kein Sechzehnender mit,
und balzen so aus vollen Rohren
zwölf Stunden Tag für Tag im Schnitt.

O Bagger du, o Presslufthammer,
zweihundert Jahre alt noch kaum,
wie machtet ihr zur Folterkammer
seither den öffentlichen Raum!

Die Studie her – nach Zeit und Ländern,
den Fortschritt hörbar auch zu maln!
Natürlich wird sie dran nichts ändern –
doch zeigen, welchen Preis wir zahln.