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Haltbarkeitsdaten

haltbarkeitsdatenOb ihre Uhren anders gehen,
nach einem andern Zifferblatt?
Ich will mal auf die Finger sehen
dem Haus, der Straße und der Stadt.

Die stehen da so fest wie Steine
und unverwüstlich an Gestalt,
Gebäude härter als Gebeine,
Bitumen stärker als Basalt.

Was alles, wenn die Augen schweifen,
den Schein der Stetigkeit bewahrt –
doch kaum, dass sie zur Lupe greifen,
die Zeit sich ihnen offenbart

Mit den verräterischen Spuren,
die überall sie hinterlässt
an Dingen und an Kreaturen,
zwar winzig, aber manifest.

Ein Fundus auch für Depressionen,
was unsern schwachen Leib betrifft –
sie wird ihn nicht davon verschonen,
dass Charon ihn schon bald verschifft.

Befragt das Krähenfuß-Orakel,
das einz’ge, das die Wahrheit spricht.
Die tausend Falten: ein Debakel
fürs vormals glatte Mondgesicht!

Dagegen sind die im Gemäuer,
die Risse harmlos gradezu –
zwar steht hier Chronos auch am Steuer,
doch schippert er mit größrer Ruh.

Wie diesen Unterschied begreifen,
dass stärker er an Menschen zehrt
als an Asphalt und Autoreifen,
die er nicht weniger begehrt?

Das tote Zeug aus Stein und Erden
hat einfach nur das dickre Fell,
da kann sein Zahn so schnell nichts werden,
dass zur Ruine er’s entstell.

In Fleisch und Blut kann er sich bohren
und findet wenig Widerstand –
so geht ihm alles Maß verloren
für Seele oder Häuserwand.

Er übersät den Leib mit Malen
‘ner immer tödlichen Tortur –
der Aufpreis, den wir Wesen zahlen,
die wir lebendig von Natur!

Ambiente kunstlos

Ambiente kunstlosSo hat die Kunst halt ihren Rahmen.
Der fängt schon vor der Türe an.
Der Fuß kann nicht in Blüten kramen,
da Stein die Oberhand gewann.

Ein Platz von ausgesuchter Öde
sich vor dem Musensitz erhebt,
wie ein Podest erhöht, doch spröde
von Liebenswertem nicht belebt.

Nur wen’ge unbequeme Stufen
fürn hoch zu diesem Schau-Altar,
an denen Schilder grämlich rufen:
„Begehn auf eigene Gefahr!“

Warum nicht Bäume, Büsche, Blumen?
Hier kommt die Politik ins Spiel:
Zement, brüllt sie, Beton, Bitumen
ist pflegeleicht und kost‘ nicht viel!

Man muss es für ein Wunder halten,
wenn man dem Ort was abgewinnt.
Doch glätten sich die Unmutsfalten
da, wo das Heiligtum beginnt.

Und wo in wohlbedachter Reihe
dem Blick sich Bilder offenbarn
von höchster meisterlicher Weihe,
um die sich Adoranten scharn.

Muss ich die Künstler erst noch nennen?
Europas Beste kreuz und quer.
Zu tot indes, den Fleck zu kennen –
sonst kämen sie gewiss nicht her.