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Mondverbot

Hätt schon mal Lust, den Mond zu schauen,
wenn golden er am Himmel glänzt,
Apollo auf den Sternenauen,
vom Lorbeer seines Lichts bekränzt.

Doch sind die Hände mir gebunden,
das heißt die Füße in dem Fall,
denn man beschneidet meine Runden
mitsamt dem freien Blick ins All.

In meiner hohen Altersklasse
darf ich am Abend kurz mal raus,
doch treten Mond und Sternenmasse
dann noch nicht vor ihr Himmelshaus.

Taghell ist es ja noch um sieben,
die Sonne grade erst bemüht,
sich Richtung Horizont zu schieben,
wo rosig schließlich sie verblüht.

Man kann ihm nicht ins Stübchen steigen,
in die Mansarde dieser Welt,
noch hängt der Mond in Eichenzweigen,
wo man ihn als Laterne hält.

Die Leuchte unsrer schwarzen Nächte,
die Sichel mit dem kühnen Schwung,
geraubt mir durch des Staates Rechte
auf die Gesundheitssicherung!

Noch fordert ja der Schutz vor Viren,
dass die Kontakte man beschränkt
und Bürger beim Herumspazieren
in vorbestimmte Bahnen lenkt.

Nun, ist der Mond mir auch verschlossen
in seiner abendlichen Pracht,
hab ich ihn heute doch genossen,
als meinen Einkauf ich gemacht.

Zwar schwebte er als heller Flecken
hoch oben im Gewölbe nur
und war doch unschwer zu entdecken
auf dieser Folie von Azur.

Allein nach Art ‘ner Apfelsine
war in der Mitte er halbiert,
der untre Teil der bleichen Miene
korrekt mit Himmelblau maskiert!

Meeresfreuden

Zum Strand muss man nicht lange laufen,
‘ne schmale Straße trennt ihn nur
von diesem kleinen Hüttenhaufen,
aus dem man einst das Meer befuhr.

Doch da Berufe sich vererben,
vielleicht wohnt ja da auch noch heut,
sein Brot mit Fischen zu erwerben,
ein Seebär, der die Flut nicht scheut.

Zumindest hätt er vor der Nase
sein grenzenloses Arbeitsfeld
und wüsst schon in der Frühstücksphase,
wie’s Neptun mit dem Wetter hält.

Denn falls die Welln sich überschlagen
wie vom Klabautermann gehetzt,
was soll er sich nach draußen wagen,
fehlt ihm der Fang zu guter Letzt?

Doch mag’s auch niemanden mehr geben,
der seinen Unterhalt erfischt,
wird doch den Leuten, die hier leben,
ein Augenschmaus stets aufgetischt.

Zieh nur den Vorhang leicht beiseite,
hock träge vor der Häuserfront,
es zeigt das Meer in ganzer Breite
und tief sich bis zum Horizont!

Und nicht nur als bewegte Masse,
die, blubbernd oder bleiern still,
mit Boot man, Dampfer und Barkasse
als Wasserweg befahren will!

Mal huschen ihm geformte Schatten
wie Flecken übers graue Fell,
die erst im Wolkenflug ermatten,
gibt sich der Himmel wieder hell.

Mal schüttet ihm aus voller Kanne
die Sonne Funken auf den Hals,
dass diese prall gefüllte Wanne
so glitzert wie nur Badesalz.

Dann wieder jagen schwarze, schwere
Gewitterwolken drüber weg
und schleudern ihre Feuerspeere
frenetisch ohne Sinn und Zweck.

Ob sie nur Lärm erregen wollen?
Sie rühren ja den Donner auf,
wie er mit unverhohlnem Grollen
stets folgt der Blitze Zackenlauf.

Schon tags darauf: Ein Tuch gezogen,
das hoch den Himmel überspannt,
sich spiegelnd jetzt in glatten Wogen,
dern Farbe dem Azur verwandt.

Auch sind ja jederzeit zur Stelle
die kleinen Trawler hier und da,
bei Nacht so gut wie Tageshelle,
der Heimatküste immer nah.

Die Rückfahrt dann aus allen Winden –
dies Bild hat ‘nen besondren Charme:
Wie um den Einlauf sie sich schinden,
beflügelt von ‘nem Möwenschwarm!

Und kaum, dass sie die Anker lichten,
den nächsten Hafen schon im Blick,
sind auf der Kimm sie auch zu sichten,
die Kreuzfahrtschiffe, superschick.

Man kann auch einfach angeln gehen
und warten, bis ‘n Brummer beißt,
sofern nicht dieses ew’ge Stehen
ermüdet selbst den Duldergeist.

Und, liebe Nordlandfraun und -männer,
gewickelt jetzt ins Wollgewand,
heut sah ich sogar, Ende Jänner,
im Badeanzug wen am Strand!

Es warn Bewohner dieser Katen,
wie wenig später ich erfuhr,
als ihrem Heim sie wieder nahten,
bedeckt von einem Handtuch nur.

Bei dieser Flut verschiedner Freuden
gleich hier vor meiner eignen Tür
wollt ich kein bisschen Zeit vergeuden,
bis selbst ich ihren Kitzel spür.

Und stürzte so mit flinken Füßen,
die erst am Ufer haltgemacht,
um dort das Wunder zu begrüßen
‘ner mondbeglänzten Meeresnacht.

Wie groß war aber mein Erstaunen,
als dies und jenes ich nicht fand –
nur, immer diese Wetterlaunen!,
‘ne watteweiße Nebelwand.

Doch die war auch nicht zu verachten,
gab Friedrich’sche Romantik her –
wie „Männer, die den Mond betrachten“
so „Wandrer überm Nebelmeer“.

Strandspaziergang

Es war schon dunkel, als ich dachte,
ich geh noch mal am Strand entlang.
Nichts an die Sonne mich heut brachte,
nicht mal ihr schöner Untergang.

Jetzt war sie hinterm Kap verschwunden
mit allem, was ihr Licht beseelt –
der Welt der hellen Tagesstunden,
der Vielfalt nicht noch Farbe fehlt.

Das Himmelblau wie weggeblasen,
wie übermalt mit schwarzem Quast,
damit in seinen Schaffensphasen
den Alb man nicht beim Wickel fasst.

Und dass man im geträumten Jammer
sich rettungslos nicht ganz verfing,
der riesenhaften Dunkelkammer
ein Notlicht von der Decke hing.

(Und so, wie allen Birnensorten
der Züchter einen Namen gibt,
war die, die oben da zu orten,
als Venus allerseits beliebt.)

Am Rande aber, ganz verschwommen,
(ein Bild noch im Entwicklungsbad)
im weiten Rund zum Vorschein kommen
die Buchten und die Ufer grad,

Dern lang gestreckte Silhouette
nur deshalb aus dem Dunkel sticht,
weil eine trübe Lichterkette
sich schimmernd durch die Säume flicht.

Das Meer vor mir in tiefem Schweigen
und schwarz, „so kann kein Himmel sein“,
zwei Fuß in diesen Abgrund steigen
und frage nicht nach Sonnenschein!

Da zeigte sich am Horizonte
noch schmal der Sonne ros’ger Schweif,
da ich noch kuckte, was ich konnte,
nach dem berühmten Silberstreif.

Es war, als ob ein Düsenjäger
in wilder Flucht die Kimm beflog
und wie den Staub ein Straßenfeger
Kondens im Wirbel nach sich zog.

Der aber nicht auf alte Weise
ihm schneeig aus dem Heck entwich,
nein, wohl Aurora eh’r zum Preise
dem Teint der Morgenröte glich.

Kaum konnte meinen Blick ich wenden
von diesem prächt’gen Phänomen,
da kam die Nacht, es zu beenden,
auf stillen, unsichtbaren Zeh’n.

Randa

Dasselbe ist NähRandae und Ferne zwischen dem Freund und dem
Geliebten. Denn so, wie sich Wasser und Wein vermischen,
vermischt sich die Liebe des Freundes mit der Liebe des
Geliebten; wie Wärme und Licht ist ihre Liebe verknüpft;
und wie Wesen und Sein stimmen sie überein und sind
einander nahe.

Ramon Llull, Vom Freund und dem Geliebten, 1283/84

Heut will ich, einz’ge Leserin, dich bitten,
dass du mir folgst nach ’nem bestimmten Ort.
Sei unbesorgt, ich wahr dabei die Sitten –
ich geb dir schriftlich hier darauf mein Wort!

Lass einen Hügel beide uns besteigen,
der einsam aus dem Tiefland sich erhebt –
ich möchte dir die Welt einmal so zeigen,
wie wenn als Adler man darüber schwebt.

(Anmerkung 1: Beinah 500 Meter
ragt dieser Buckel aus dem Grund empor,
steilt sich nicht nepalesisch in den Äther
und kommt doch hoch dem Autoklettrer vor.)

Wenn wir zur Spitze glücklich dann gedrungen
auf unsrem kurvenreichen „Knüppelpfad“,
sehn wir tief unter uns, vom Meer umschlungen,
die halbe Insel schön im Wellenbad.

Und Felder überall sich landwärts strecken,
von Büschen hier und Hecken da begrenzt,
mal weizenblond, wo Ähren sie bedecken,
mal silbrig, wo des Ölbaums Blatt erglänzt.

Auch, leicht für Haufen Feldgesteins zu halten,
die Dörfer, über diese Flur verstreut,
doch ledig aller Wagen und Gestalten
und selbst der Glocken klingendem Geläut.

Wie Äderchen die Wege sich verzweigen,
um sich in lichten Dünsten zu verliern.
Die ganze Erde unten atmet Schweigen,
scheint in der Glut des Mittags zu gefriern.

Lässt man den Blick dann immer weiter gleiten
bis an der Augenkünste Horizont,
verschwimmen diese abgesteckten Weiten
in einer schaumig-flachen Nebelfront.

Im Norden nur gewahrt man die Konturen
massiver Berge überm Küstensaum,
die bleiern lasten auf den fernen Fluren,
doch majestätisch auch in ihrem Raum.

Damit der Schöpfung Schönheit man empfinde,
hat diesen hohen Ausguck sie erbaut –
dass unbehindert wer in alle Winde
und alle prächt’gen Panoramen schaut.

Was heil’ge Schriften ehedem verheißen
als der Gerechten immerwährnden Lohn,
hier sieht man‘s unterm Blau Mariens gleißen,
ein Paradies auf sünd’ger Erde schon.

(Anmerkung 2 will ich dem Lullus weihen,
der hier vorzeiten seine Zuflucht nahm,
sich um der Wahrheit willen zu kasteien,
dass er in Lust und Luxus nicht verkam.)

Dem Zauber dieser Insel längst erlegen,
besonders auch dies Fleckchen mich entzückt,
ein wenig abseits von gewohnten Wegen,
dem Erdentreiben meilenweit entrückt.

Wie Moses einst vor dem Gelobten Lande,
das ihm sein Gott als Bleibe anbefahl,
so steh ich gern an dieser Klippen Rande
und blick ins weite, herrlich blühnde Tal.

Hintergrundgeräusche

HintergrundgeräuscheNennt dies man Eremitenleben,
wenn rings man nur die Vögel hört
und lautlos ihre Netze weben
die Spinnen, die kein Lüftchen stört?

Und wenn bisweilen nur ein Knistern
wie’n Funke in die Stille fällt,
sich hin und wieder zu verschwistern
mit einem Knacken wie bestellt?

Na ja, in diesem strengen Sinne,
da fehlt’s mir noch an Einsamkeit,
steck ich vom Knöchel bis zum Kinne
im Lärm, den mir der Nachbar leiht.

Nicht dass da ständig Töpfe scheppern
in kakofon’schem Blechgesang
noch jemand, Teller zu zerdeppern,
sich anschickt alle Naselang.

Auch die uns heut die Medien machen,
die stets beliebte Hausmusik,
hör ich in Tönen nur, in schwachen,
wo ich (im Klo!) den Sender krieg.

Nein, das was mir mit kaltem Schauer
periodisch fährt in Mark und Bein,
das ist, vergiss die dickste Mauer!,
ein Quietschen voll ins Ohr hinein.

Es ist, wie wenn ein Güterwagen
mit Eisenrädern, unbereift,
dem jäh die Bremsung aufgetragen,
ein Stück noch auf der Schiene schleift.

Doch will ich keinem unterstellen,
dass er zu Haus mit Loks rangiert –
in diesen wie in andren Fällen
ein Möbel diese imitiert!

Denn einem Stuhl, auf dem wir hocken,
wie auch ‘nem Tisch, der nicht zu schwer,
lässt leicht sich so ein Laut entlocken,
rückt man ihn rüde hin und her.

Und die Sensibelchen von Nerven
sind hierzulande so gestählt,
um eh’r sie aus dem Gleis zu werfen,
wenn es an solchen Reizen fehlt.

Doch ich, ein Fremdling, hergelaufen,
soll ich die Hiesigen bekehrn
und sie mit Alsterwasser taufen,
als ob sie’s nicht im Jordan wärn?

Bin nicht zum Missionar geboren
und schulde schließlich auch Respekt
dem Usus, der hier ausgegoren
und mir ein bisschen bitter schmeckt!

Kein Grund, den Platz hier zu vertauschen.
Die Nacht macht alles wieder gut:
Ich hör nur leis die Wellen rauschen,
das Flüstern der gewalt’gen Flut.

Der Dauerbrenner

Der DauerbrennerWie könnte ich mich denn enthalten,
zu feiern seine Wiederkehr?
Gehört er nicht zu den Gestalten,
dern Tod uns unerträglich wär?

Seitdem wir in der Wiege lagen
und stumm uns in die Welt gestaunt,
kam er mit leisem Flügelschlagen,
uns freundlich in die Kammer schau’nd.

Und in dem zauberischen Schimmer,
den um die Schläfen er uns wand,
zerging der schwarze Schatten immer,
der groß in jedem Winkel stand.

Als später dann mit glühnden Wangen
die ersten Küsse man getauscht,
hat lächelnd uns sein Blick umfangen,
da wo im Park die Eiche rauscht.

Erinnert euch der vielen Stunden,
die er geheimnisvoll erhellt,
und jeder Fessel euch entbunden
an diese trübe Erdenwelt!

Er ist nun mal nicht wegzudenken
aus unsrer aller Lebenslauf –
ein Kork, der niemals zu versenken,
taucht jede Nacht er wieder auf.

Und treuer ist er uns geblieben
als alles, was wir sonst gewohnt:
Dahin so viele schon der Lieben,
lebendig leuchtend noch der Mond!

Noch mehr Mond

Noch mehr MondDa schwebt und völlig aufgeblasen
zum proppedicken Luftballon
als Krönung seiner lichten Phasen
der Vollmond ohne Hofkokon.

Stark sticht er ab vom Himmelsgrunde,
dass deutlich er Kontraste schafft.
Sein Leib, der aufgeblähte, runde,
sieht gelblich aus und dotterhaft.

So wie er durch die Lüfte gleitet
ganz ohne Tampen, ohne Tau,
scheint’s, dass er auf den Winden reitet
und ziellos einfach nur ins Blau.

Und wenn dann hinter ihm erst liegen
die Dächer, die im Sprung er nahm,
wird er ins All davon uns fliegen,
von wo noch niemand wiederkam.

Nun ja, der Augenschein muss trügen,
denn heute weiß doch alle Welt,
dass der Trabant auf seinen Flügen
sich immer an die Erde hält.

Dies Faktum kann ich nur begrüßen:
Wie arm wär sonst die Poesie!
Millennien lagen ihm zu Füßen
und gern beug ich ihm auch mein Knie.

Man muss es ja nicht übertreiben
mit der romant’schen Bilderflut –
doch ab und zu wie Claudius schreiben,
ich glaub, das tut der Seele gut.