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Über Kreuz

Über KreuzVerzeiht, wenn ich’s so nüchtern sage:
Die Krone trägt es nicht zu Recht,
dies blutversessne, sarkophage,
sich durchvernünftelnde Geschlecht!

Und hätt ein Gott sie ihm verliehen,
hätt unfehlbar er sich geirrt,
weil nie zu Gutem noch gediehen,
was dieser trieb, der Schöpfung Hirt.

Ja, grad in dieses Gottes Namen,
des Milde stets im Mund geführt,
Millionen um ihr Leben kamen,
von heil’gen Häschern aufgespürt.

Die ganze Skala der Torturen
erprobten jene Brüder grad,
die sich als sanfteste Naturen
berühmten, auf der Liebe Pfad.

Mit Folter, Mord und Scheiterhaufen
erwarben sie sich Kirchenruhm,
gewappnet für ihr Amoklaufen
mit Bibel und mit Christentum.

Und was sie zynisch deklarierten
als Sorge für des Opfers Wohl,
war nur die Sorge des versierten
Halunken für sein Monopol.

Die Worte auf den Kopf gestellt.
Verhöhnt die Kranken und die Lahmen.
Aus allen Wolken Jesus fällt,
seit Pfaffen ihn erheben. Amen.

 

Echter Landgewinn

Echter LandgewinnJa, größer ist es schon geworden,
Europa, einig Vaterland.
Von Ost nach West, von Süd nach Norden
wie’n Riesenlaken ausgespannt.

Schön bunt und mit ‘ner Masse Falten,
die irgendwie da reingeknickt,
in denen hartnäckig sich halten
die Wanzen, die kein Finger zwickt.

Die meisten hocken unzufrieden
in irgendeinem Winkel rum
und hadern mit dem Los hienieden,
das ihnen kein Elysium.

‘ne Handvoll krabbelt unverdrossen
geschäftig übers Tuch dahin,
weil es der andern Blut genossen
und neue Beute schon im Sinn.

Doch jene, die man angebissen,
die liegen ausgelaugt und bleich
schon halbwegs auf dem Sterbekissen
und warten auf den Zapfenstreich.

Die Beißer gehn jetzt größre Wege,
weil es sich lohnt für ihre Gier,
denn aus dem einstigen Gehege
wurd ja ein mächtiges Revier.

Die Wächter aber, Oberwanzen,
die der Gesamtheit dienen solln,
beeifern sich, nur zuzuschanzen
den Beißern, was sie immer wolln.

Na ja, so mag es vielleicht gehen
bei dieser eklen Kreatur,
doch weil wir Menschen höher stehen,
kann der Vergleich doch hinken nur.

Nie würden wir verkommen lassen
ein Wesen unsrer eignen Art,
nur um im Großen zu verprassen,
was dieses sich vom Munde spart.

Grad in Europa der Gedanke
schlug Wurzeln schon vor langer Zeit,
dass statt des Löwen rauer Pranke
auf Erden walte Menschlichkeit.

Und dann die vielen, vielen Jahre
mit Kyrie und Requiem –
wie dass ein Christenmensch verfahre
so käferhaft mit irgendwem?

Und kommt uns doch einmal zu Ohren,
dass Groß-Europa oft bereut –
Gerüchte nur, aus Neid geboren,
von richt’gen Wanzen ausgestreut!

Stabwechsel

StabwechselDevot, kritiklos und beflissen –
mir fällt nichts andres dazu ein,
dass alle Medien hingerissen
vom neuen Kabinettsverein!

Nach etlichen Verhandlungstagen
steht nun die Turnerriege fest.
Mir dreht sich alles um im Magen,
dass man sich davon blenden lässt.

Das ist doch die normalste Chose;
als ob daran was Neues wär!
Die schmeißen sich in Heldenpose
und wurschteln weiter wie bisher.

Als würd bei denen, die da schlittern
in einen Posten, hoch dotiert,
das Herz auf einmal heiß erzittern
vor Mitleid für das Volk, das friert!

Doch dieses Wurschteln, wie ich’s nannte,
heißt ja nicht, dass man was verpfuscht:
Es ist ‘ne Art, ‘ne elegante,
mit der man seinen Kurs vertuscht.

Der lautet schon seit ew’gen Zeiten
bei dem, den an die Macht es treibt,
für sich und die Gefolgschaft streiten –
der Rest soll sehen, wo er bleibt.

Und kaum am Ruder, neue Pfründen
als Spitzenämter man erschuf.
Und schämt sich nicht mal seiner Sünden?
Nein, alles Christen von Beruf!

Unter Christen

Unter ChristenWie oft mir nicht schon Zweifel kamen,
ob wirklich christlich sie agiert,
wenn die Partei mit diesem Namen
sich nur für Reiche engagiert!

Doch dass ich da in falschem Gleise
gedacht, hab endlich ich erkannt:
Auf äußerst raffinierte Weise
reicht sie dem Armen so die Hand!

Der Reiche, wie wir alle wissen,
lebt mit dem schrecklichen Malheur,
die ew’gen Freuden einst zu missen
wie das Kamel vorm Nadelöhr.

Drum muss er eben schon auf Erden
die goldnen Schätze an sich ziehn,
um glücklich mit ‘nem Gut zu werden,
das nur auf Lebenszeit verliehn.

Dem Armen andrerseits verheißen
Entschädigung in Eden ist –
er muss sich nur am Riemen reißen
für diese kurze Erdenfrist.

Und ist nicht sel’ger denn zu nehmen,
wenn man das Wen’ge von sich gibt?
Der hies’gen Not muss sich nicht schämen,
wer droben nie mehr Kohldampf schiebt.

Drum weiter so, ihr Christparteien,
dass ihr nur blüh’nde Beete netzt
und des verdorrnden Volks Gedeihen
dem Himmel auf die Rechnung setzt!

Mit Recht könnt ihr darauf verweisen,
dass ihr nie elitär gedacht
und weiten, ganz normalen Kreisen
den Zugang dazu leicht gemacht.

Ja, grade in den letzten Jahren
(das lass euch der polit’sche Neid)
sie ganz besonders fruchtbar waren,
die Werke der Barmherzigkeit.

Man kann sie kaum in Worte fassen,
so ungeheuer ihre Zahl:
Verwirklicht endlich für die Massen
des Christen Armutsideal!

P. S. Für diesen Ansturm nicht gerüstet
wurd’s Himmelreich zum Notquartier:
Die, die’s nach Paradies gelüstet,
auch da sie leben von Hartz IV!

Keine Pause

Keine PauseGern würd ich diesen Tag besingen,
ihm Größe irgendwie verleihn,
dass auf des Musenpferdes Schwingen
er ins Gedächtnis ziehe ein.

Doch wo sind heut die Katastrophen,
die man so schnell nicht mehr vergisst,
vom Platz uns reißend hinterm Ofen,
der trügerisch nur trocken ist?

Von Überschwemmung: keine Rede.
Von Feuersbrunst: nicht eine Spur.
Von Dauerfrost: der liegt in Fehde
mit lauer Frühlingstemp’ratur.

Kein Flieger ist zu Fall gekommen,
kein Schiff ging sinkend in die Knie,
kein Wal hat tödlich sich verschwommen,
dicht hielt die Strahlendeponie.

Das mit den Eiern und den Gäulen,
das war ja letzte Woche schon,
und gift’gen Futtermittel-Fäulen
gebührte gestern erst der Thron.

Mag’s auch an Unglücksfälln nicht fehlen,
grad heut ist einmal nichts passiert,
dass den sensiblen Dichterseelen
das Blut im Gänsekiel gefriert.

O nein! Wir müssen sie nicht missen!
Die Christen mit dem Krämersinn
in höchsten Ämtern noch zu wissen:
Die Katastrophe, ach, schlechthin!