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Distanzmesser

Der höchste Rat hat heut entschieden,
dass weiterhin Gefahr besteht
und möglichst der Kontakt vermieden,
der Viren auf den Hals uns lädt.

Bedeutet erst mal weitre Wochen
in seinem häuslichen Arrest,
als hätt wer weiß was man verbrochen
und säße in der Zelle fest.

Das ist in diesen Friedenszeiten
ein Zustand völlig neuer Art –
damit sich Keime nicht verbreiten,
wird an Geselligkeit gespart.

Verrammelt sind die Klassenzimmer,
die Pausenhöfe öd und leer.
Der Schule, sonst ein Horror immer,
weint manches Kind schon hinterher.

Man kann nicht mehr ins Kino gehen;
die Bühnen haben alle dicht.
Von wegen, samstags Fußball sehen,
und wenn dein Herz darüber bricht!

Die meisten Läden sind geschlossen,
die Kunden stehen auf dem Schlauch.
Der Weise nur bleibt unverdrossen:
„Wie viel es gibt, was ich nicht brauch!“

Im ausgekühlten Kirchenchore
ruft niemand zum Hosianna auf;
die ganze Osterfestfolklore
ging für die Virenabwehr drauf.

Doch immerhin, man weiß ja heute,
woran dies ganze Übel liegt,
und wird nicht ahnungslos zur Beute
des Stromers, der auf Wirte fliegt.

Die Maske notfalls vorgebunden,
die Hand in Zellophan gespannt,
dreht man gelassen seine Runden,
wo’s noch erlaubt nach neustem Stand.

Im Supermarkte beispielsweise,
denn jeder braucht sein täglich Brot,
und eine kurze Einkaufsreise
ist ausgenommen vom Verbot.

Ansonsten strikte Ausgangssperre.
Die Ordnungshüter kontrolliern
und trotz Gezeter und Geplärre
die Übeltäter abkassiern.

So hat uns mit dem Keimexporte
die Kunst auch China anvertraut,
wie außerhalb des Hauses Pforte
dem Volk man auf die Finger schaut.

Und unsre höchsten Demokraten,
nur Gutes, sagen sie, im Sinn,
sie riechen heimlich schon den Braten
fürn unverhofften Machtgewinn.

Mag Orwell stets in Frieden ruhen,
der 84er-Prophet,
dass man in furchtbar engen Schuhen
nicht plötzlich mal durchs Leben geht!