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Glaubensstreiter

Die Wissenschaft ist fortgeschritten,
seit sie geschlüpft in Hellas‘ Nest,
erwachsen längst und schon im dritten
Jahrtausend mit dem Wiegenfest.

Was hat sie nicht schon rausgefunden
seit Heraklits und Thales‘ Zeit:
So, dass die Sterne dort umrunden
nur Priester noch im Narrenkleid.

Und dass die Erde, die als Scheibe
man sich im Mittelpunkt gedacht,
‘ne katzenbuckelart’ge Bleibe,
die Männchen vor der Sonne macht.

So, dass der Mond mit den Konturen,
die wechselnd er am Himmel zeigt,
nur noch den simpelsten Naturen
verwirrend in die Birne steigt.

Und dass im Wüten der Gewalten,
in Dürre, Feuer oder Flut,
Gericht nicht zorn’ge Götter halten
über die sünd’ge Menschenbrut.

So wenig wie sie Majestäten
aus Gnade je ‘nen Thron verpasst,
sie ihnen ähnlich anzubeten,
und sei’n sie auch dem Volk zur Last.

Und so den Pfaffenspruch entlarven
als Werbung für den Klingelpott,
dass Engel einst den Leib beharfen
und alle Obrigkeit von Gott.

Da sind wir nun. Die Welt entschlüsselt.
Kein Schlupfloch für Schamanen mehr.
Die Alster in die Elbe flüsselt.
(Auch Dichter haben’s manchmal schwer.)

Erforscht bis in die Einzelheiten.
In Bild und Schrift und Ton fixiert.
Der Teufel müsste einen reiten,
der da Schimären noch gebiert.

Und wie er reitet – gar in Würden,
es hilft die halbe Welt ihm auf:
Was sind ihm Fakten schon für Hürden,
ist’s Kleinhirn erst in vollem Lauf!

Man sieht nicht und man will nicht sehen.
Man hängt am alten Gängelband
der Pfaffen, die die Forschung drehen
je auf den neusten Bibelstand.

Wie nie ist heut die Welt gespalten
in Geister der verschiednen Art –
die einen mit dem Hirn es halten,
die andern noch mit Kaisers Bart.

Bei Letztren heißt’s vergeblich hoffen,
dass einmal der Verstand sie lenkt –
sie sind nur für die Märchen offen,
die früh man in ihr Herz gesenkt.

Und während doch aus Lichtpartikeln
das Nichts im All zum Sein gefror,
leiht noch den Konfessionsartikeln
vom Schöpfergott der Arsch sein Ohr!

Des Sonnenhauses letzte Pforten
hat man inzwischen schon erreicht,
indes der Klerus allerorten
kein Jota von der Stelle weicht.

Für Unsinn just wie auserlesen
scheint mir der Kirche Superheld:
Der Papst, ein winzig sterblich Wesen –
und segnet doch die ganze Welt!

Passender Fund

Passender FundAch, haben sie ihn ausgegraben,
Cervantes, unsern Dichterschelm,
der quer ließ durch La Mancha traben
Quijote mit dem Ritterhelm?

Vierhundert Jahre durft er dösen
in seiner stillen Klostergruft,
bis man mit Haken und mit Ösen
ihn rausgestochert an die Luft.

Wenn er’s denn ist. Denn die Gebeine,
auf die man in der Krypta stieß,
sie sind und sind vielleicht nicht seine
nebst andren in dem Grabverlies.

Dem Braten ist nicht recht zu trauen –
kurz vor dem runden Todesjahr
kommt selbst er, um vorbeizuschauen
bei seiner treu’n Verehrerschar!

Das riecht nach alten Kirchenbräuchen,
nach denen man, Simsalabim,
um Pilger auf den Weg zu scheuchen,
manch Märchen braute à la Grimm.

„Herbei, herbei aus allen Landen
und seht, was unser Herr vermag!
Den heil’gen Nimmerlein, den fanden
wir just an seinem Namenstag!“

Und dank der großen Menschenmasse,
die es zu diesem Wunder trieb,
des Sprengels sieche Kirchenkasse
bald wieder schwarze Zahlen schrieb.

Müsst es den Ruhm Madrids nicht mehren,
brächt diesen Trumpf man noch ins Spiel?
Auch könnt man einst das Tuch verehren
des Flügels, der im Hieb zerfiel!

Warum indes vor Knochen beugen
sein wandermüdes Pilgerknie?
Kann uns daheim ein Buch nicht zeugen
vom unverweslichen Genie?