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Verflogen

Den Augenblick mocht stets ich leiden,
bevor ich aus den Federn kroch,
mich herzhaft gähnend zu entscheiden:
Ein halbes Stündchen dös ich noch.

Nichts ist so selig wie der Schlummer
am Morgen, wenn der Gockel kräht
und man im ersten Tagesschummer
sich noch mal auf die Seite dreht.

Doch neulich gab’s ein bös Erwachen,
die Rechnung geht nicht immer auf,
mich weckte ein gewalt’ges Krachen
und noch ein zweites kurz darauf.

Da war an Schlaf nicht mehr zu denken,
der Lärm schlug wie ‘ne Bombe ein,
ich lief, den Hals mir zu verrenken,
zum Fenster, in die Stube rein.

Der Straße war nichts anzumerken,
so früh noch ziemlich menschenleer,
und gab mit ihren Pferdestärken
so ein Getöse auch nicht her.

Und auch der Himmel war verschwiegen
und voll der schönsten Geigen hing,
obwohl, du kannst die Motten kriegen,
das Donnern fröhlich weiterging!

Will wer uns wieder an den Kragen
nach dieser langen Friedenszeit,
‘nen heißen Tanz mit uns zu wagen
im scharlachroten Waffenkleid?

Kommt da ein böser Feind geflogen,
‘ne Kampfgeschwader-Formation,
geschickt von finstren Demagogen
zur luftgestützten Invasion?

Doch schon der tröstende Gedanke,
dass man’s auch anders deuten kann –
hier an Europas tiefster Flanke
heut ein Manöver wohl begann.

Vermutung. Sachlich und integer
indes die Medien informiern.
Bestätigten, dass Düsenjäger
für eine Flugschau nur trainiern.

Da protzt man mit perfiden Waffen
in einem übermüt’gen Spiel,
und Tausende den Spuk begaffen
wie Hexen auf ‘nem Besenstiel.

Kann einem angst und bange werden,
schon wenn man das Gedröhn nur hört –
wie müssen leiden die auf Erden,
dern Leib und Leben es zerstört?

Oft Jahre brüllt in ihre Ohren
dies monotone Todeslied,
dass mancher den Verstand verloren
und lebend aus dem Leben schied!

Die weit vom Schuss im Winkel hausen
bei Kuchen, Wein und Schinkenspeck,
was wissen sie von diesem Grausen?
Sie sehn die Show. Und sehn so weg.

Strandspaziergang

Es war schon dunkel, als ich dachte,
ich geh noch mal am Strand entlang.
Nichts an die Sonne mich heut brachte,
nicht mal ihr schöner Untergang.

Jetzt war sie hinterm Kap verschwunden
mit allem, was ihr Licht beseelt –
der Welt der hellen Tagesstunden,
der Vielfalt nicht noch Farbe fehlt.

Das Himmelblau wie weggeblasen,
wie übermalt mit schwarzem Quast,
damit in seinen Schaffensphasen
den Alb man nicht beim Wickel fasst.

Und dass man im geträumten Jammer
sich rettungslos nicht ganz verfing,
der riesenhaften Dunkelkammer
ein Notlicht von der Decke hing.

(Und so, wie allen Birnensorten
der Züchter einen Namen gibt,
war die, die oben da zu orten,
als Venus allerseits beliebt.)

Am Rande aber, ganz verschwommen,
(ein Bild noch im Entwicklungsbad)
im weiten Rund zum Vorschein kommen
die Buchten und die Ufer grad,

Dern lang gestreckte Silhouette
nur deshalb aus dem Dunkel sticht,
weil eine trübe Lichterkette
sich schimmernd durch die Säume flicht.

Das Meer vor mir in tiefem Schweigen
und schwarz, „so kann kein Himmel sein“,
zwei Fuß in diesen Abgrund steigen
und frage nicht nach Sonnenschein!

Da zeigte sich am Horizonte
noch schmal der Sonne ros’ger Schweif,
da ich noch kuckte, was ich konnte,
nach dem berühmten Silberstreif.

Es war, als ob ein Düsenjäger
in wilder Flucht die Kimm beflog
und wie den Staub ein Straßenfeger
Kondens im Wirbel nach sich zog.

Der aber nicht auf alte Weise
ihm schneeig aus dem Heck entwich,
nein, wohl Aurora eh’r zum Preise
dem Teint der Morgenröte glich.

Kaum konnte meinen Blick ich wenden
von diesem prächt’gen Phänomen,
da kam die Nacht, es zu beenden,
auf stillen, unsichtbaren Zeh’n.

Kosmisches Schauspiel

kosmisches-schauspielHerr Sonntag ab. Die Bühne leer.
Nacht fällt mir ins Gemüt.
Ein Abend ohne Wiederkehr,
der schwarz und schwach verglüht.

Grad sah ich noch im fahlen Blau
des Jägers helle Spur,
der auf der weiten Himmels-Au
ins Uferlose fuhr.

Die Sonne küsste, sinkend schon,
den Streifen, den er zog,
dass dieser rosarot im Ton
ihm hinterm Heck her flog.

Sah ich nicht auch die Sichel grad
noch blass im Tageslicht –
die nun auf ihrem dunklen Pfad
zum vollen Mondgesicht?

Darüber nicht den matten Glanz,
der Venus noch verhüllt,
die jetzt in großer Gala ganz
den Himmelsraum erfüllt?

Herr Sonntag tritt für immer ab,
sein Gastspiel ist vorbei.
Wie immer war es kurz und knapp,
von Höhepunkten frei.

Doch bald erscheint an selber Stätt
ein Herr, der gleich sich nennt,
und wieder sitz ich im Parkett
als stummer Rezipient.

Ein Flieger zieht im Äther hin,
vom Abendstern besonnt.
Es schwillt der Mond im Gegensinn,
es glüht der Horizont.

Und Hesperus schon auf dem Sprung
zum großen Solopart.
Kaum endet sie, die Dämmerung,
kommt er auch schon in Fahrt.

Da oben spielt im Sternenreich
Theater die Natur.
Stück und Ensemble immer gleich –
die’s sehen wechseln nur.