„Liebes Kind“, sagte Goethe, „ein Name ist
nichts Geringes. Hat doch Napoleon eines
großen Namens wegen fast die halbe Welt in
Stücke geschlagen!“
Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe
in den letzten Jahren seines Lebens, unter dem
6. April 1829
So recht persönlich kenn ich keinen.
Sie halten ja auch gern Distanz,
obwohl das Volk sie lassen meinen,
sie wärn vertraut mit Hans und Franz.
Sie baden manchmal in der Menge
und geben sich ganz jovial;
doch diese Nähe, diese enge,
entspringt nicht ihrer freien Wahl.
Sie müssen den Kontakt ja suchen
(„…um Ihren Sorgen nah zu sein!“),
dass viele Stimmen sie verbuchen
beim Kreuzen auf dem Auswahl-Schein.
Dem dienen auch die Sonntagsreden,
die so ergreifend sind wie platt,
dass selig sie betäuben jeden,
der noch ein Herz im Hintern hat.
Man brüllt der Masse nach dem Munde,
schimpft des Rivalen Meinung „Mist“
und heuchelt in der Podiumsrunde:
„Pragmatiker, nicht Populist!“
Die Maske lassen sie erst fallen,
ist ihre Wiederwahl perfekt.
„Woher solln wir’s denn nehmen? Allen
der Esel sich nun mal nicht streckt“.
Die Leute glaubhaft zu belügen:
Das ist des Profis täglich Brot.
Dabei Entspannung in den Zügen
und nicht ein Hauch Gewissensnot.
Politiker. Dazu geboren,
die andern übers Ohr zu haun.
Und von den Wölfen auserkoren,
sich nach den Schafen umzuschaun.
Die Herde weiß er wohl zu weiden.
Sie beugt sich blökend seiner Macht
und mag gar noch den Hirten leiden,
der augenscheinlich sie bewacht.
Der schwebt indes in andern Sphären.
Nicht nach Behüten steht sein Sinn.
Er will die Armen tüchtig scheren,
denn ihre Wolle bringt Gewinn.
Nicht für die eigne nur, die dicke,
die Börse, staatlich* garantiert,
nein, auch fürs Ansehn in der Clique,
die von ihm für ihn profitiert.
*svw. stattlich
Ihm macht es Spaß, so mitzumischen,
Schicksal zu spieln fürs ganze Land.
Mag auch die Meute manchmal zischen –
er führt sie doch am Gängelband.
Erreicht! Er ist ein großer Macker.
Karriere, Knete – alles stimmt.
Da holt die Sense ihn vom Acker,
was ihn unendlich wunder nimmt.
War er nicht grad noch frisch und munter?
Und jetzt, im Dröhnen des Geläuts,
ganz dumpf: Zur Urne da hinunter.
Wir kümmern uns auch um das Kreuz.