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Mal ehrlich

Ist mehr man als ‘ne Eintagsfliege,
lebendig nur, solang es hell,
und macht nicht selber bald die Biege
aus diesem irdischen Hotel?

Ob ein paar Stunden oder Jahre,
der Unterschied ist nicht die Welt,
das Körperkleid nur Dutzendware,
die garantiert nicht ewig hält.

Zuerst verblassen ihm die Farben,
so dass es nach und nach ergraut,
dann zeigen Löcher sich und Narben
im fadenschein’gen Stoff der Haut.

Am Ende schäbig und verschlissen,
geflickt und völlig ausgelaugt,
gleicht’s einem Lappen, der zerrissen
noch bestenfalls zum Wischen taugt.

Das war’s dann auch schon mit dem Leben
in einer lichten Gegenwart,
die Leiblichkeit hat abzugeben,
was sterblich ist – auf seine Art.

Aus heitrem Himmel stürzt der Brummer
entkräftet in ein Gräsermeer,
indes der Panzerkreuzer „Hummer“
im Kessel landet zum Verzehr.

Auf steinigem und staub’gem Grunde
der Käfer seine Fühler streckt,
das Haselhuhn mit blut’ger Wunde
in eines Fuchses Fang verreckt.

Ein Fischlein, von der Flut gehoben,
das gern so fortgewiegt sich hätt,
schwimmt plötzlich mit dem Bauch nach oben
in seinem Wassertotenbett.

Der Leu selbst, der in guten Zeiten
dem Büffel gar im Nacken saß,
lässt seinen Klaun das Kitz entgleiten
und beißt dafür ins Steppengras.

Der Mensch hingegen, der hienieden
geborn in ein Elysium,
lebt mit sich selber nicht in Frieden
und bringt sich hundertfältig um.

Wenn nicht, wird ihn das Alter fällen,
dem alle Lebenskraft enteilt,
falls ihn nicht schon ums Dasein prellen
die Leiden, die der Tod nur heilt.

Das kann die Hoffnung ihm nicht rauben,
die stirbt ja, wie es heißt, zuletzt,
drum hält er sich an einen Glauben,
der unbeirrt auf Wunder setzt.

Die aber sind nicht vorgesehen
auf diesem ganzen Erdenball,
mag sich auch plustern und sich blähen
der Sapiens als Sonderfall.

Nichts unter allen Kreaturen,
was auf ‘ne ew’ge Seele weist –
und wittert jener dennoch Spuren:
zumindest auf Erfindergeist!

Thema Vanitas

Thema VanitasSofern du, Les’rin, meine Zeilen
mit Neugier schon seit Läng’rem liest,
erübrigt sich’s, dir mitzuteilen,
dass vieles da zusammenfließt.

Oft hab ich die Natur beim Wickel,
weil ihren Geist man nie ermisst
und selbst der kleinste Nasenpickel
ein Wunder an Erfindung ist.

Doch auch der Mensch mit seinen Macken
ist mir willkommenes Objekt,
um am Schlafittchen ihn zu packen,
bis er zum Hals in Strophen steckt.

Auch nehm ich manchmal auf die Schippe,
was faul in unserm Staat ich find,
und dass an seiner Futterkrippe
mehr Satte als Bedürft’ge sind.

Ein breites Spektrum der Betrachtung,
in das mein Eifer sich versenkt
und meiner lyr’schen Tagesschlachtung
stets ‘ne gefüllte Kumme schenkt.

Doch reicht es, einfach zu zersplittern
den spröden Knochenbau der Welt,
und nicht dahinter auch zu wittern,
was sie im Grund zusammenhält?

Ist Selbstsucht dieser rote Faden,
der das gesamte All durchzieht,
die Galaxien und Sternnomaden
und ihren ganzen Schotterschiet?

Dass eins nur auf des andern Kosten
gewaltsam Oberhand gewinnt
und dies auch wieder, Auslaufposten,
im nächsten Höllencrash zerrinnt?

Und dass der Winzling auf der Erde,
der nach ‘nem Gott sich glaubt geprägt,
in diesem ew’gen Stirb und Werde
ganz nach dem Universum schlägt?

Die Skala seiner stärksten Triebe,
sie nährt ja grade den Verdacht –
die polygame Eigenliebe
zu Reichtum, Renommee und Macht!

Da tritt er in des Kosmos Stapfen
in seinem blinden Eigensinn,
um ähnlich Unheil zu verzapfen
gar bis zur Selbstvernichtung hin.

Und denkt nicht, dass nur wen’ge Jahre
in einem Winkel hallt sein Schritt.
Das bisschen Zeit nimmt auf der Bahre
in alle Ewigkeit er mit.