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Millimeterarbeit

MillimeterarbeitZwei Stufen musst du nur erklimmen,
dann stehst du oben, goldbehängt;
doch bis dahin heißt’s trimmen, trimmen –
den Sieg, den kriegst du nicht geschenkt.

Denn nur da auf dem höchsten Treppchen
zollt man dir Ehre und Respekt –
auch mit Champagner, Schlemmerhäppchen
und Fotos für TV Direkt.

Wie einsam bist du schon als Zweiter,
auch wenn nur Zentimeter fehln
zur Spitzensprosse dieser Leiter –
doch diese wenigen, die zähln!

Extreme wolln die Menschen sehen,
verwöhnt von andrer Leute Schweiß.
Auf Risiken, die sie nicht gehen,
auf die sind sie besonders heiß.

Und grade die, die vegetieren
ereignislos in ihrem Kaff,
allein Rekorde akzeptieren
und Leistung, über die man baff.

Und so durchzieht in allen Dingen
die Konkurrenz des Lebens Frist,
so dass man meint, es müsst misslingen,
wenn man nicht stets der Erste ist.

Da seht das alte Steinzeiterbe,
wie’s heute nistet noch im Hirn –
als Mythos, ach, vom Wettbewerbe
beherrscht es selbst die Denkerstirn!

Was ist denn dran an diesen Possen?
Man schuftet sich die Hucke krumm,
und eh man ‘s Leben noch genossen,
dann ist’s, ade!, schon wieder rum.

Und tröstet’s, wenn ich Wunden lecke,
die nie und nimmer mehr verheiln,
bracht auch den Gegner ich zur Strecke,
so dass wir einen Tod uns teiln?

Und überhaupt: Ein Loblied singen
auf den, „der nach den Sternen fasst“?
Pah, jeder Frosch kann höher springen,
und jeder Käfer trägt mehr Last!

Ein Wettersturz

Ein WettersturzEin Wettersturz der ersten Güte!
Der Frosch sprang hoch mit einem Satz
und nahm, o dieser Abgebrühte!,
weit höher auf der Leiter Platz!

Wir halten aber ihm zugute,
dass deshalb er nach oben strebt,
weil die Natur mit kaltem Blute
und Lust am Lichte ihn belebt.

Wie eisig auch die letzten Tage!
Es hat gefroren Stein und Bein.
Ich glaub, selbst meine Wasserwaage
war froh, nicht außer Haus zu sein.

Ja, mein Balkon mit Eisengitter,
der nie sich irgendwie geregt,
der zeigte mir, damit ich zitter,
die Zähne – Zapfen, wie gesägt.

Das ist nun alles Schnee von gestern.
Wie rasch so was vertropft und taut
und Reste bleiben nur vom fester’n,
der Stadt zerfetzte Gänsehaut!

Wie nackt und schäbig sie da liegen,
entblößt von ihrem Winterfell,
die Straßen – enger sich zu schmiegen
an Sohle und an Fahrgestell!

Erleicht’rung also? Überwunden
des Frostbarts strenge Diktatur
mit langen, streusalzfreien Stunden,
die man im Schneckentempo fuhr?

Das würde an ein Wunder grenzen:
Dezember laut Kalenderblatt!
Und pflegt’s im März nicht erst zu lenzen
bei so und so viel Sonnenwatt?

Da muss der Frosch wohl noch viel klettern,
indem er auf und ab sich biegt –
o dass er bei den vielen Wettern
bloß keinen Muskelkater kriegt!