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Thema Vanitas

Thema VanitasSofern du, Les’rin, meine Zeilen
mit Neugier schon seit Läng’rem liest,
erübrigt sich’s, dir mitzuteilen,
dass vieles da zusammenfließt.

Oft hab ich die Natur beim Wickel,
weil ihren Geist man nie ermisst
und selbst der kleinste Nasenpickel
ein Wunder an Erfindung ist.

Doch auch der Mensch mit seinen Macken
ist mir willkommenes Objekt,
um am Schlafittchen ihn zu packen,
bis er zum Hals in Strophen steckt.

Auch nehm ich manchmal auf die Schippe,
was faul in unserm Staat ich find,
und dass an seiner Futterkrippe
mehr Satte als Bedürft’ge sind.

Ein breites Spektrum der Betrachtung,
in das mein Eifer sich versenkt
und meiner lyr’schen Tagesschlachtung
stets ‘ne gefüllte Kumme schenkt.

Doch reicht es, einfach zu zersplittern
den spröden Knochenbau der Welt,
und nicht dahinter auch zu wittern,
was sie im Grund zusammenhält?

Ist Selbstsucht dieser rote Faden,
der das gesamte All durchzieht,
die Galaxien und Sternnomaden
und ihren ganzen Schotterschiet?

Dass eins nur auf des andern Kosten
gewaltsam Oberhand gewinnt
und dies auch wieder, Auslaufposten,
im nächsten Höllencrash zerrinnt?

Und dass der Winzling auf der Erde,
der nach ‘nem Gott sich glaubt geprägt,
in diesem ew’gen Stirb und Werde
ganz nach dem Universum schlägt?

Die Skala seiner stärksten Triebe,
sie nährt ja grade den Verdacht –
die polygame Eigenliebe
zu Reichtum, Renommee und Macht!

Da tritt er in des Kosmos Stapfen
in seinem blinden Eigensinn,
um ähnlich Unheil zu verzapfen
gar bis zur Selbstvernichtung hin.

Und denkt nicht, dass nur wen’ge Jahre
in einem Winkel hallt sein Schritt.
Das bisschen Zeit nimmt auf der Bahre
in alle Ewigkeit er mit.

 

Verborgene Konkurrenz

Verborgene KonkurrenzAus des Weltraums tiefsten Tiefen,
wo sie lang verborgen schliefen,
tauchen mählich sie ans Licht.
Treten aus den Sternenschatten,
die sie stets verdunkelt hatten,
vor des Menschen Angesicht.

Und befreit von diesen Zwängen
zeigen sie in rauen Mengen
ihre ferne Gegenwart –
wie sie um die Sterne kreisen
auf den unsichtbaren Gleisen
ihrer schwerelosen Fahrt.

Dass die andern Sonnen brannten
auch im Auge von Trabanten,
glaubte man seit Langem schon.
Doch der Nachweis von Planeten
ist erst heute mit Geräten
mancher Himmelstürmer Lohn.

Tausende besagter Gruppe
sind aus trüber Sternchensuppe
glücklich schon herausgefischt.
Und Milliarden Exemplare,
wahrlich keine Mangelware,
erst der Angel noch entwischt.

Wenn wir jetzt noch einmal zählen
und nur die Probanden wählen,
wo wohl Leben auch gedieh‘,
sind’s Milliarden, grob gerastert,
in die Milchstraße gepflastert
und in jede Galaxie.

Sollte man verrückt nicht werden?
Unvorstellbar viele Erden
schippern einsam durch den Raum.
Und nur hier um unsre Planken
solln sich Wein und Rosen ranken,
einz’ges Blatt am Weltenbaum? –

Müssten schier im Grund versinken,
uns den Dünkel abzuschminken,
Gott hätt uns sein Bild verehrt!
Ungezählte Schöpfungskronen
weit verstreut im Kosmos wohnen –
mehr vielleicht der Schöpfung wert!

Winzige Welt

Winzige WeltEin Stäubchen irrt im Weltenraume,
ein winz’ges Stäubchen irrt da rum,
es irrt wie in ‘nem irren Traume,
‘nem Horror im Delirium.

Und dieses Stäubchen, gottverlassen,
und dieses Stäubchen, so verlorn,
muss noch Milliarden Stäubchen fassen,
die noch viel winziger geborn.

Die müssen sich ans Stäubchen klammern,
das ihnen Heimat ist und Halt
in einem All von Weh und Jammern,
in einem Kosmos, wüst und kalt.

Wenn es ein Schwarzes Loch verschlänge,
ein Roter Riese es verzehrt’,
in diesem Galaxiengedränge
wär’s nicht einmal ein Fünkchen wert.

Es würde einfach so verschwinden
wie ‘n Schiff im Sturm mit Mann und Maus.
Kein Kreuz, kein Grab, kein Wiederfinden.
Und keiner drückt ‘ne Träne aus.

Und die da an dem Stäubchen kleben
in gleicher Hoffnung, Angst und Pein,
wie eifrig müssten sie doch streben,
sich gegenseitig Trost zu sein.

Doch ach, ganz wirklichkeitsvergessen
ist dieses Stäubchen ihre Welt,
an der sie blind sich überfressen,
dass es schon vor der Zeit zerfällt.

Himmel jedenfalls

Himmel jedenfallsDas Tor zum Kosmos, schwarz und schweigend:
der Himmel über meinem Haupt.
Millionen Ehrfurcht ihm bezeigen,
weil man ihn hehr und heilig glaubt.

Bewohnt sei er von höhren Wesen,
die nicht zu Leid und Tod verdammt
und täglich in der Bibel lesen,
wo nicht von der Schalmei entflammt.

Um ihre Muße zu gestalten,
dien manchem auch das Harfenspiel,
da andre sich mit Inbrunst halten
an Sangeslust im Kirchenstil.

Verständlich, dass sie dabei tragen
ein blütenweißes Chorgewand –
wie auch an allen andern Tagen,
weil es beim Flug nicht kneift und spannt.

Und fliegen heißt’s vor allen Dingen,
die Wege sind einfach zu weit –
vom Luchs zur Leier sich zu schwingen,
braucht auch mit Flügeln seine Zeit.

Noch aber sind die sel’gen Genien
allein in ihrem Sternenhaus,
denn die aus Spanien und Slowenien
und andre Christen stehn noch aus.

Das Weltgericht, schon längst beschworen,
verzögert sich wer weiß bis wann,
so wie man’s bei den Erd-Juroren
ja leider auch verzeichnen kann.

Die Leichen müssen länger liegen
in ihrem düsteren Verschlag,
bis auf die Rippen wieder kriegen
sie etwas Fleisch am Jüngsten Tag.

Das Ganze ist mir doch zu vage,
der ew’ge Aufschub zu suspekt,
dass auf die Seite ich mich schlage
von denen, die schon mehr entdeckt.

Und dieses „Mehr“ ist schon ‘ne Menge
und schließt den ganzen Kosmos ein,
das heißt der Galaxien Gedränge
im grenzenlosen Ringelreihn.

Wir haben endlich lange Listen:
„Kriterien für den Wohnkomfort“,
zu sehn, ob’s ew’ge Leben fristen
man könnt wie im Excelsior.

Nun, wer auch immer droben wohne,
die Sache wäre nicht mein Fall:
Befund zu Paradiese: Ohne.
Befund zu Grauen: Überall.

Relationen

RelationenDen Kosmos wird es wenig scheren,
dass heute Sonntag ist;
in seinen Weiten, seinen Leeren
gibt’s keine Wochenfrist.

Der Mond, den wir als Uhr benutzen,
weil immer er verlässlich geht,
er würd nicht ‘ne Sekunde stutzen,
die Emotion verrät.

Und auch der Stern, den wir umkreisen
in einem Jahr von Start bis Ziel,
er achtet die stupiden Reisen
nicht mal fürn Pappenstiel.

Für diesen göttlichen Giganten,
in dem die Galaxien pulsiern,
sind Lebewesen einfach Quanten,
die sich im Nichts verliern.

Der Schöpfung selbsternannte Krone –
dieselbe nimmt sie nicht mal wahr,
haust doch der Mensch in einer Zone,
die kosmisch atomar.

Und hat doch tausende Regenten,
die’s nur aufs Schröpfen abgesehn
und sich mit Pomp und Paramenten
zu höh’rer Weihe blähn.

Ein Weisel, ach, der’s unternähme
zu grübeln über Zweck und Sinn,
wohl auch auf Gottes Gnade käme,
warum er Königin!

 

Kollegen

KollegenIhr kennt es ja: Indes ich schreibe,
steigt unversehns die Flut der Nacht.
‘s wird zehn, elf, zwölf – ich aber bleibe,
bis ich mein Musenstück vollbracht.

Inzwischen ist es still geworden.
Kaum Autos noch in leichtem Trott.
Der Bürger sitzt, genährt mit Morden,
entspannt vor seinem Bildschirmgott.

Der Himmel zeigt mir tausend Sterne,
die zwinkern mir vertraulich zu.
Ach, ich besuchte sie so gerne,
hielt nur so lange auch mein Schuh!

Es muss mir reichen, hinzufliegen
alleine mit Gedankenkraft –
doch viel ist da nicht rauszukriegen
so ohne Tricks der Wissenschaft.

Ich schau, um’s ehrlich zu bekennen,
vorm geist’gen Aug kein Paradies,
nur Flurn, die brodeln oder brennen,
dass sich’s da höchstens sterben ließ.

Und falls um diese Feuerbälle
Planeten zögen ihren Kreis,
dann wären sie auf alle Fälle
für uns zu eisig oder heiß.

Schon gut, dass in den ew’gen Räumen
kein Meilenstein wohin uns führt;
so können wir denn weiterträumen,
von Tränen goldnen Lichts gerührt.

Doch dort auf einer von Millionen
mal Millionen Galaxien
wird sicher auch ein Dichter wohnen,
der an mich denkt wie ich an ihn.

Ich sehe ihn zur Feder greifen,
sein Blatt beschreiben wie ich jetzt.
Und sein Gedanke würd mich streifen –
hätt Einstein nicht die Zeit versetzt!

Illusion

IllusionSchon geht die Uhr auf Mitternacht.
Gleich ist die Flasche leer.
Das weiße Windlicht flackert sacht
im Zug vom Fenster her.

Der Lärm des Tages abgeflaut.
Die Autos wo versteckt.
Gäb die Zikade jetzt noch Laut,
die Stille wär perfekt.

Die Schwüle immer noch nicht schwand.
Das Hemd am Halse feucht.
Der Himmel wölbt sich übers Land
mit kaltem Sterngeleucht.

Gemächlich zieht ein voller Mond
im Bogen seine Bahn,
der groß in seinem Hofe thront,
doch ohne Untertan.

Die Küche hier, mein Studio,
wenn mich der Hafer sticht,
das heißt zu essen sowieso,
doch auch für ein Gedicht

Döst friedlich unterm Firmament:
Wie’n Fels, der Tonnen wiegt,
nicht Hagel, Sturm und Kälte kennt
und keinen Schnupfen kriegt.

Doch nur Oase, nur Asyl
im Meer von Furcht und Leid,
im Stern- und Galaxiegewühl,
aus dem das Chaos schreit.

Was mich nicht hindert am Genuss
der Speisen, die sie birgt –
der auf den lyrischen Erguss
gewöhnlich stärkend wirkt.

Zög sich das ewig in die Läng,
es wär genau mein Fall:
Ich tränke, träumte und ich säng
mich durch das ganze All.

Nie stellt sich Langeweile ein,
zu schreiben wär genug;
bis an den Rand von Sein und Zeit
reicht der Gedankenflug.

Auf jedes Stäubchen, kosmosweit,
macht ich mir meinen Reim
und schließlich die Unendlichkeit
zum Hause mir und Heim.

O Schreck, verplaudert wieder mal!
Vergesst, was ich geschwätzt!
Nur weil in unser Fleisch der Pfahl,
der Totenkopf geätzt!

Jetzt aber schlafen, spät ist spät.
Da die Plejaden schon!
Die Welt, wie sie sich ewig dreht –
ach, keine Illusion!

Abendspaziergang

AbendspaziergangDie Luft begann sich schon zu trüben
mit einem Hauch von Dämmerung,
als ich, mich im Flaniern zu üben,
noch einmal rausging auf ‘n Sprung.

Ich drehte eine kleine Runde
hier um den nächsten Häuserblock
und freute mich der halben Stunde
fernab von meinem dritten Stock.

Noch spannte endlos sich die Weite
des leeren Himmels über mir,
der mählich sich vom Blau befreite,
das strahlend seines Tages Zier.

Und wie ich so in mich versunken
den Blick nach oben schweifen ließ,
sah plötzlich ich zwei lichte Funken
wie Cherubim vorm Paradies.

Die funkelten wie Diamanten
so überirdisch hell und klar
vom Himmelsgrunde, der jetzt samten
wie eine Schmuckschatulle war.

Wie Wächter standen sie und schwiegen,
unnahbar in sich selbst gekehrt,
und doch gewärtig zu besiegen,
was sündig, mit dem Flammenschwert.

Das sollte sie zusammenschweißen.
Doch hielten sie sich auf Distanz.
Wie eisig ihr kristall’nes Gleißen,
wie einsam ihr erhabner Glanz!

Heroisch schienen sie zu harren,
die Unbefugten abzuwehrn,
die lüstern mit der Seele scharren
und Einlass heuchlerisch begehrn.

Obwohl sie selbst, die treuen Wesen,
Garanten fürs verschlossne Tor,
von Gott persönlich auserlesen,
auf alle Ewigkeit davor!

Dann sah ich, wie die Leute eilten
um mich herum so ohne Wort,
dass ich mich fragte, ob sie teilten
das Schicksal jener Sterne dort.

So nahe ist man sich hienieden,
so gleich in Neigung und in Pflicht,
und wird von Mauern doch geschieden
des Schweigens, die man nicht durchbricht.

Am Himmel die und wir auf Erden:
so sprachlos wie das liebe Vieh.
Geboren, um nie warm zu werden –
Geschöpfe einer Galaxie!