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Geisterschiff

Mit ihren seidig samtnen Schatten
verhüllt die Nacht das Firmament.
Im Schimmer nur des Monds, im matten,
verloren ihr ein Lichtlein brennt.

Er hat es sich als schmalen Streifen
gebogen untern Bauch gehängt,
damit er sich bei seinem Schweifen
im Sternendickicht nicht verfängt.

Das kann ihm heut grad nicht passieren –
Millionen Sonnen machen blau;
sie müssen ihre Achse schmieren
der Drehung wegen, haargenau.

Die Finsternis der Himmelsweiten
hat völlig auch die See erfasst.
Wo plätschernd sich die Wellen breiten,
sieht weder Mole man noch Mast.

Nur eine watteweiche Masse,
die jegliche Kontur verschlingt,
dass wie bei einem Eichenfasse
der Blick nicht bis zum Boden dringt.

Wärn da nicht die Laternenpfähle
als stummer Fackelzug am Strand,
ich glaub, die anhaltlose Seele
hätt sich wer weiß wohin verrannt.

So schwebe ich auf leichten Sohlen
wie’n Kumpel einst zur Feierschicht,
da kommt mich lautlos überholen
ein weißes und ein grünes Licht.

Grad wie ein Steiger in der Grube
mit seinem Lämpchen an der Stirn,
um in der Kohle Kinderstube
sich nicht im Stollen zu verirrn.

Nur dass sie über Tage gleiten,
wo man bei Licht nur Wellen sieht,
doch Flöze jetzt auf beiden Seiten
in einem Meer von Anthrazit.

Ein Trawler nach der Tagesreise
auf Heimatkurs mit seinem Fang?
Dazu fährt er mir doch zu leise
und viel zu dicht am Strand entlang.

Die Ahnung hat mich nicht betrogen –
man lässt den Hafen Hafen sein
und zieht in elegantem Bogen
noch tiefer in die Bucht hinein.

Und immer sieht im Topp man tanzen
die beiden hellen Lichter nur,
von diesem Fahrzeug da im Ganzen,
Rumpf, Heck und Bug, nicht eine Spur.

Ein Sportler, der zur späten Stunde,
wenn ihm kein Wind die Segel bläht,
die pflichtgemäße Trainingsrunde
mit zugeknöpftem Motor dreht?

Ein Gast von ferneren Gestaden,
der einen Liegeplatz gebucht
und in des Dunkels schwarzen Schwaden
verzweifelt nach den Jachten sucht?

Womöglich gar ‘ne Schmugglerbande
mit heißer Ware im Gepäck,
dass kurz sie wo am Ufer lande –
gelöscht, gelöhnt und nix wie weg?

Mag’s ruhig ein Geheimnis bleiben –
das Wissen mindert die Magie.
So können die Gedanken treiben
im bunten Meer der Fantasie.

Das einsame Segel

Es spinnt die Welt mit grauen Fäden
sich ein in den Kokon der Nacht.
Der Bürger schließt die Fensterläden
und still sein Lampenlicht entfacht.

Wer irgendwo im Strandlokale
noch draußen in der Dämmrung döst,
erhebt sich plötzlich, dass er zahle
und in das Horn des Aufbruchs stößt.

Natürlich ist es kühl geworden,
natürlich ist die Sonne weg.
Nur Möwen hocken noch in Horden
im Sand an ihrem Lieblingsfleck.

Im Hintergrund der Hügelkette
als Erster schon der Faden riss –
die ganze stolze Silhouette
verlor sich in der Finsternis.

Noch weithin aber folgt das Auge
der See gezacktem Wellenschlag,
als ob sie besser dazu tauge,
am Rock zu halten diesen Tag.

Von Leben aber nichts zu sehen.
Die Dampferflotte, sonst erfreut,
den Fischen einen Strick zu drehen,
bleibt heute fest am Kai vertäut.

Der Seemann kauert, fortzuflicken
an seinem Netz aus grobem Garn,
vor endlos langen Seilen, dicken,
um morgen wieder rauszufahrn.

Da taucht in dieser Wasserwüste,
in stetigem, bedächt’gem Lauf,
als ob zum Strand es rübergrüßte,
ein weißes Segel plötzlich auf.

„Die Wüste lebt!“ In Nacht und Nebel
selbst scheucht wer seinen schmalen Kahn,
vetrau’nd der Pinne starkem Hebel,
durch diesen rauen Ozean.

Doch ist ‘ne Crew nicht auszumachen.
Wer hält den Kurs mit festem Griff?
Wo sind an Bord und Bug die Wachen?
Es hat was von ‘nem Geisterschiff.