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Familie Feuerstein

Wie gingen sich die Steinzeithorden,
wenn’s richtig dicke kam, ans Fell?
Man kann auch mit den Händen morden,
doch mit dem Faustkeil doppelt schnell!

Dass man sich wen vom Halse schaffe,
nahm man dies Schab- und Schlitzgerät –
die allererste Mehrzweckwaffe,
ein Faktum, das für Fortschritt steht.

Der war dann kaum noch aufzuhalten,
man hatte nun mal Blut geleckt
und ließ das Hirn nicht mehr erkalten,
das so was Schlaues ausgeheckt.

Wie lange haben Pfeil und Bogen
durchlöchert wen in tück‘schem Flug,
bis man dann lieber blankgezogen
und sich den Kopf vom Rumpfe schlug!

Doch dies Zerhauen und Zerstechen,
geziemt es sich für Christenhand?
Darum nach manchem Kopfzerbrechen
ein Typ das Feuerrohr erfand.

Ein Kügelchen bescheidner Größe
schlägt pfeifend in den Gegner ein,
und rascher als durch Degenstöße
fährt ihm der Tod durch Mark und Bein.

Der nächste Schritt, das lässt sich denken,
sich beinah schon von selbst empfahl –
die Kugel dicker und sie lenken
in eine größre Menschenzahl!

So mauserte die blaue Bohne,
die man für einen Loser lud,
sich unversehens zur Kanone
mit tausendfach verspritztem Blut.

Der Fortschritt hat ein Maß gewonnen,
dass es auf keine Kuhhaut geht –
was mikrolithisch einst begonnen,
zielt immer mehr auf Quantität.

Jetzt äußert er sich durch Raketen
mit Höllenfeuerkraft an Bord –
da platzen gleich aus allen Nähten
die Friedhöfe am Einsatzort.

Was für ein Wahnsinn, nicht zu fassen,
doch mit globaler Tradition:
Wie müssen sich die Völker hassen,
die sich mit solchen Waffen drohn!

O ihr, die ihr als Schliemanns Erben
der Steinzeit heute auf der Spur,
sucht nicht in Schotter und in Scherben –
sucht in der menschlichen Natur!

Zunehmend Stückwerk

Zunehmend StückwerkGanz langsam, langsam wie auf Krücken
schleicht sich die Zeit in Fleisch und Bein,
um mir beharrlich wegzupflücken
mit jedem Tag ein Stückchen Sein.

Was schlimm genug ist. Doch noch schlimmer,
dass sie so roh zu Werke geht
wie`n Hufschmied oder Kohlentrimmer,
der triefend vor der Flamme steht

Und um das Weitre unbekümmert,
das seinem blinden Fleiß entspringt,
die Stoffe schmelzt und sie zertrümmert,
als wär dem Teufel er verdingt.

So trag auch ich denn ihre Spuren
verstreut schon längst am ganzen Leib,
die selbst mit Wässerchen und Kuren
ich nicht mehr von der Pelle reib.

Wie bei `nem Apfel, der gebraten,
die vormals glatte Haut sich wellt,
so auch dank Chronos` Missetaten
die meine mir in Falten fällt.

Und wo so gern die Winde spielen,
sei`s friedlich, sei`s im Übermut,
die Federn bis auf Reste fielen
zum Haarkranz unterm Doktorhut.

Nicht einmal mittschiffs meinen Hüften
erspart bisweilen sie Verdruss
und schickt mir jäh aus linden Lüften
`nen wohlgezielten Hexenschuss.

Dazu dann noch `ne Darmgeschichte,
die unvermittelt aufgetaucht
und die beim besten Heilsberichte
mich auch noch heute ziemlich schlaucht.

Da sollte ungetrübt sie lassen
das Auge, das sich beugt und biegt?
Es mag die Ferne noch erfassen,
doch nichts, was vor der Nase liegt.

Und schließlich hat auch, viel beschworen,
ihr Zahn die Beißer mir benagt –
die einen gingen schon verloren,
den andern nur der Rumpf noch ragt,

So dass `nem findigen Dentisten
ich mich am Ende anvertraut,
der Ersteren zu überlisten,
mein Maul zur Festung ausgebaut.

Was ist nun im maroden Leibe
nicht alles schon zurechtgeflickt!
Ob auch der Geist, aus dem ich schreibe,
noch einmal vor sich selbst erschrickt?

Schmerzmittel

SchmerzmittelDa gibt es hier und da Gebrechen,
die sich die Zunge gern verbeißt,
weil sie an Körperstelln und -flächen,
die man intim und sonst wie heißt.

Insofern red ich ohne Zügel
vom Schmerz, der heute mich erregt –
er kam vom rechten Schulterflügel
und schwoll, wenn ich mich falsch bewegt.

Ich musst ihn untertags ertragen
und bin ihn auch noch jetzt nicht los
und wage auch nicht, mich zu fragen,
ob’s Rheuma, ob’s Verspannung bloß.

Vielleicht ist morgen alles besser
und, toi, toi, toi!, vorbei der Spuk,
ich muss nicht wieder unters Messer
und brauch kein Pflaster gegen Zug.

Vielleicht, vielleicht. Doch mit den Jahren
hat wohl der Leib so abgebaut,
dass Übel ihn befalln in Scharen,
die früher ihn kaum angeschaut.

Darum zum Sauertopf zu werden,
wär sicherlich die dümmste Kur.
Es ist nun einmal so auf Erden:
Verblühn muss alles, was Natur.

Am Ende kann uns nichts mehr heilen,
versagt die beste Medizin.
Solang wir aber hier noch weilen,
da helfen Tropfen mit Tannin.