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Vogelfreunde

Gibt’s eine Vielfalt, die noch bunter
als die im Menschen angelegt?
Den Regenbogen rauf und runter
nach jedem kleinsten Ton er schlägt.

Das gilt im Guten wie im Bösen,
die Skala ist unendlich breit –
von Missetaten, skandalösen,
bis hin zur höchsten Menschlichkeit.

Dazwischen alle Varianten,
wie man sie sich nur denken kann –
vom liebenswerten Querulanten
bis hin zum schmier’gen Saubermann.

In dieser Flut von Charakteren
sich schließlich nicht auch einer fänd,
der, sein Verständnis zu vermehren,
auf gutem Fuß mit Vögeln ständ?

Ich mein nicht den Ornithologen
in seinem warmen Uni-Nest,
ich mein den Freak, der ausgeflogen
und Schildchen an die Fesseln presst.

Begeistrung: groß, Vergütung: keine.
Indizien für ein gutes Herz.
Man heftet Chips an Vogelbeine
und ortet sie auch anderwärts.

So kennt man ihre tausend Flüge
und weiß, was ihrem Wesen nützt,
und lernt allmählich zur Genüge,
wie man dieselben besser schützt.

Dem Nahrungs- und dem Brutreviere
man liebevoll Intresse schenkt.
Warum? Sind es denn Kuscheltiere,
an denen man zum Schmusen hängt?

‘ne Mantelmöwe dir mal gabel
und streichle sie mit Wohlgefalln,
schon spürst du ihren Adlerschnabel
noch schmerzlicher als Katerkralln.

Drück liebevoll dir an den Busen
‘ne Graugans, von weither gereist,
die kann’s sich einfach nicht verknusen,
dass wie ein Kettenhund sie beißt.

Man muss schon eine Schwäche hegen
für dies Geschöpf im Federkleid,
dass seinen Land- und Wasserwegen
man seine schönsten Stunden weiht.

Und nicht wie Fuzzi mit der Flinte
nur deshalb eifrig nach ihm guckt,
weil seine Lust, die bösgesinnte,
ihm höllisch in den Fingern juckt.

Die Achtung vor dem Wunder Leben,
das sich Millionen Formen wählt,
nur sie mag wem die Kraft wohl geben,
die Tag für Tag ihn neu beseelt.

Alles Natur

Ein Plätzchen, etwas abgelegen
am grünen Saum der Innenstadt,
wo sich der guten Speisen wegen
viel Gästevolk versammelt hat.

Doch auch die Lage zu genießen,
der es nicht anzusehn vorm Zaun,
dass kurz dahinter Wasser fließen,
die sich zum großen Teiche staun.

Dass jetzt man nicht an Ufer denke,
die flach in Felder übergehn!
Nein, Büschen dienen sie als Tränke,
die dicht und durstig ihn umstehn.

Idylle pur nach diesen Tagen,
da überall sich Hass entlud,
auf Mann und Maus drauflos zu schlagen
in blinder, hirnverbrannter Wut!

Es brannten Autos, Barrikaden,
es brannten Müllcontainer ab,
es ging zu Bruch manch Krämerladen,
dem hinterher die Waren knapp.

Da flogen Flaschen, Wurfgeschosse
von ähnlich großer Durchschlagskraft
wie Pflastersteine aus der Gosse,
die man zum Schleudern aufgerafft.

Und alles, um zu hintertreiben
der „Großen 20“ Ränkespiel –
wobei kaputte Fensterscheiben
eh’r hinderlich für dieses Ziel.

Nun nach Getöse und Gebrülle
die Stille, die besonders tief –
und unser Sprung in die Idylle,
die hier das Chaos sanft verschlief.

Die Sonne scheint und schickt uns Schauer
von Wohlbehagen auf den Pelz.
Wir hocken an der Ufermauer
und schaun nach Ente aus und Wels.

Da unten grad zu unsern Füßen
liegt träge eine Motorjacht,
die Leute, die zum Abschied grüßen,
da für die Heimfahrt festgemacht.

Dann löst sich plötzlich eine Flotte
von Gänsen aus dem Hintergrund,
die paddelnd in bedächt‘gem Trotte
den Teich durchpflügen und sein Rund.

So wie am Himmel hoch im Fluge,
dass man als Keil die Kräfte schon,
bewegte man in diesem Zuge
sich auch in Dreiecksformation.

Ja, selbst die Fahrspur in den Wogen,
als ob sie deren Abbild wär –
wie mit dem Lineal gezogen
als breiter Trichter hinterher!

Natur in Fülle und in Frieden
und in perfekter Harmonie.
Das Federvieh gar hat hienieden
ein Faible für Geometrie.

Und näher schiebt sich das Geschwader,
der Himmel glüht im Abendrot –
da Aufruhr jäh, o Hass und Hader:
Gerangel um ein Stückchen Brot!