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Von Lauten und Leisen

Von Lauten und LeisenGewiss, gewiss, wenn es beim Sprechen
um die Geschwindigkeit nur ging,
wär ich mit meinem Radebrechen
wohl ein verträumter Schmetterling.

Ich lad nicht gerne meiner Zunge
des Vollbluts leichten Sattel auf,
dass sie mit wahrer Pferdelunge
den Laberlorbeer sich erlauf.

Eh’r teil ich in bedächt’gem Trabe
mit sicherem und festem Schritt
das, was ich so zu sagen habe,
dem Lauscher gegenüber mit.

Und immer in der Muttersprache,
was sich für mich von selbst versteht,
da ich ‘ne andre nur als Brache
des Worts besitz, die dünn besät.

Doch andre Völker, andre Sitten.
Vielleicht bin ich ein Sonderfall.
Denn Nacht für Nacht sitz ich inmitten
der Nachbarn wüstem Redeschwall.

Der einerseits der Schnelle wegen
und andrerseits der Klanggewalt
mir niemals nur als Abendsegen
für ungetrübten Schlummer galt.

Ja, ungewollt sein Ohr geliehen
dem Donner, der die Stille bricht,
erfährt’s, was hinter Jalousien
verborgen sonst vorm Tageslicht.

Doch um es ehrlicher zu sagen:
Verstehn tu ich’s nur insoweit,
als öfter jemand platzt der Kragen
im fortgesetzten Ehestreit.

In diesen Breiten, zugegeben,
geht man mit Lärm zwar freier um,
doch wenn so hoch sich Stimmen heben,
nimmt man’s auch hier den Leuten krumm.

Daraus zieh ich für mich die Lehre:
Auch hier wär jetzt die Stille tief –
wenn halt nicht dieses Klopfen wäre
am Haussegen, der wieder schief.

Ein Feierabendszenario

Ein FeierabendszenarioIn den Häusern, die da drüben
stumm sich in die Schatten reih’n,
müssen Menschen sich nun üben
in der Kunst, daheim zu sein.

Unisono seit der Frühe
hat man den Moment ersehnt,
da des Tages Last und Mühe
nicht mehr aus den Poren tränt

Und entspannt man der Maloche
erst einmal den Rücken kehrt,
dass man mit ‘nem Stimmungshoche
heiter Richtung Heimat fährt.

Und was hatte man für Pläne
auf dem Weg nicht schon bereit,
lebte schon vorab die Szene
herzensguter Häuslichkeit!

Fröhlich also eingetreten
in die Wände, die vertraut.
„Musst du dich denn stets verspäten?“
Gleich ein Dämpfer durch die Braut.

Soll man da nicht Kontra geben?
Schwäche zeigen wär fatal.
„Fürstlich, wie wir wieder leben.
Zungenwurst zum zehnten Mal.“

Schweigend wird das Mahl genommen,
und die Kleinen schweigen mit.
‘Kaum ist er nach Haus gekommen,
nörgelt Papa schon, igitt!’

Irgendwie hängt nun der Segen
dieses schönen Hauses schief,
nur der beiden Worte wegen
breitet sich ein Regentief.

ER

Wenn sie meint, sie müsste maulen,
weil’s nicht nach der Stoppuhr geht,
soll sie bitte doch verfaulen,
eh ich nach dem Mund ihr red.

SIE

Lässt uns mit dem Essen warten,
und er schert sich nicht mal dran.
Spiel du mir hier nur den Harten,
bis du schwarz wirst, lieber Mann!

KINDER

Blöde, sich so anzugiften.
Sind die beiden jetzt verkracht?
Lieber gehn wir schon mal stiften.
Küsschen, Küsschen. Gute Nacht!

Auf dem Sofa Seit an Seite
hockt das Paar nicht sehr beredt,
Augen blicklos in die Weite,
wo die Krimischleuder steht.

Lustlos folgt man dem Geschehen
dieses heut’gen Thrillertipps,
und die Hand greift unbesehen
nach dem Topf mit Käsechips.

Kommen aus verletzter Seele
dennoch Worte dann und wann,
tonlos trocken bleibt die Kehle,
und man sieht sich nicht mal an.

Nun, das reine Filmvergnügen
stellt natürlich sich nicht ein,
wo sich zwei so deutlich rügen,
ihrer Ehe müd zu sein.

Leider blieb die Kluft bestehen
lange noch nach Fernsehschluss,
und zu Bett sah man sie gehen
ohne den Versöhnungskuss.

Ihren Träumen nach sie hingen,
jedes seinem eignen Traum,
und anstatt sich zu umschlingen
pflegten sie den Zwischenraum.

Doch noch ist ja aller Tage
Feierabend lange nicht
und der beiden stumme Klage
nicht das Ende der Geschicht.

Wie sie heut den Ärger teilen,
teiln sie morgen ihren Spaß.
Ja, auch in den Häuserzeilen
ringt man um das rechte Maß.