Schlagwort-Archive: Hirsch

Geführter Rundgang

Geführter RundgangMit Wissen und mit Kennermiene
eilt er dem kleinen Trupp voraus,
nennt Wappensprüche wie „Ich diene“
und sonst auch alles übers Haus.

Weist auf die porträtierten Ahnen,
die an den Wänden aufgehängt,
und ihre ausgefransten Fahnen,
die anno Tobak sie geschwenkt.

Und wie in dem und jenem Kriege
(er gibt genau die Jahre an)
der Vorfahr X durch seine Siege
‘ne Menge Morgen sich gewann.

„Hier die Frau Gräfin Kunigunde,
ein Muster an Barmherzigkeit,
die noch in ihrer Todesstunde
der Kirche ihren Schmuck geweiht.

Und hier, wenn Sie mir folgen wollen,
Graf Hubert, der die Jagd gepflegt
und der durch bloßes Augenrollen,
so heißt es, manchen Hirsch erlegt.“

Er schleppt die Schar in jede Ecke,
aus der er Anekdoten saugt,
ganz offensichtlich zu dem Zwecke,
dass er als Fremdenführer taugt.

Doch tratscht und plaudert so beflissen
von längst vergangner Zeit daher,
dass einem scheint, er müsst es wissen,
weil er dabei gewesen wär.

Nein, mehr: Dass von dem Fürstenglanze,
den so lebendig er beschwört,
ein Fünkchen fällt auf ihn, die Schranze,
die mit zur Dynastie gehört.

So kreist er um der Großen Sonne
als spätgeborener Trabant,
der seines Daseins ganze Wonne
im Schüren dieses Scheines fand.

Jagdfieber

JagdfieberMein Herz, es mag im Hochland weilen,
doch jagen möchte es da nicht,
verschreckten Ricken nachzueilen
mit Unschuldsaugen im Gesicht.

Verhuschte Hasen zu erschießen,
die panisch vor der Flinte fliehn,
um nach gezieltem Blutvergießen
ihr flausch’ges Fellchen abzuziehn.

So wenig wie um zu erlegen
des Walds gekrönte Majestät,
den Hirsch, der seiner Enden wegen
bei Kugeln hoch im Kurse steht.

Und auch die Kerze auszublasen
‘nem Auerhahn in seiner Pracht,
gehört nicht zu den Lust-Extasen,
auf die ich Anspruch je gemacht.

Ich möchte nicht die Knarre heben,
nach Laune Leben zu zerstörn,
nur um mir das Gefühl zu geben
im Schuss als Platzhirsch selbst zu röhrn.

Millionen Jahre Jäger-Sammler
gehn aber spurlos nicht vorbei –
manch einer schießt auf kleine Rammler
und glaubt, dass er ein Nimrod sei

Und rühmt sich solcher Heldentaten,
die ohne Angst und Schweiß geschehn –
fast so, als würd er seinen Braten
beim Schlachter vis-à-vis erstehn.

Denn während unsre Steinzeitahnen
gekämpft um Leben und um Leib,
keult diese Zunft der Schrumpfgermanen
das Wild zum bloßen Zeitvertreib.

Beschönigend: „Bestände pflegen“ –
sonst wird von Reh’n man überrannt!
Der Schöpfung zweifelhafter Segen:
Neandertaler mit Verstand.

Nein, einfach durch die Heide streifen,
die diese tausend Wesen nährt –
nur mit den Sinnen sie ergreifen:
Geschwister, aller Liebe wert.