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Die schwülen Tage

zu_warmDie schwülen Tage, wenn wir leiden,
gehn rascher noch als sonst herum.
Bloß nicht bewegen, alles meiden,
was steigert dies Martyrium!

Der Slogan mag uns davor schützen,
dass heftiger der Schweiß noch rinnt,
und jene Trägheit unterstützen,
die ständig auf Vermehrung sinnt.

Doch ist die Zeit nicht eingefroren,
die wie ein vorgeheizter Fluss
bei jedem Wetter ungeschoren
in freier Strömung fließen muss.

Und die nicht nur in Dimensionen
des Universums unvereint,
nein, auch im Kosmos der Neuronen
dem Schädel oft verschieden scheint.

Genauer: Wenn mit regem Leben
und Neuem wir den Alltag fülln,
den Sinnen ständig Nahrung geben
an Reizen, sie nicht zuzumülln

Doch Welten ihnen zu erschließen,
die ihnen fern und fremd noch warn,
dann mögen Monate verfließen,
die wir im Herzen zähln nach Jahrn.

Und umgekehrt, wenn stubenhockend
wir uns in Däumchendrehn verliern
und andres nicht als Bier verbockend
nur glasig in die Röhre stiern

Und schaun dann, so aus Langeweile,
mal auf die Uhr gelegentlich,
dann wundern wir uns ob der Eile,
mit der auch dieser Tag verstrich.

So quälen sich dahin die Stunden,
gelähmt von Hitze, halb erstickt –
doch zügiger fährt seine Runden
der Zeiger, der die Zeit vertickt.

Ist nicht die Möwe zu beneiden,
die wie ein weißer Blitz durchschießt
des Dämmers trübe Schattenweiden
und schweigend ihren Flug genießt?

Bin ich ein Bauer

sommerBin ich ein Bauer, dessen Acker
mal dringend ‘ne Erfrischung braucht?
Ne, nur ‘n alter Rentenknacker,
den so ‘ne Dauerhitze schlaucht.

Die Sonne schmeißt hier jetzt den Laden.
Und wer vom Fach auf dem Gebiet,
quakt ständig von den höchsten Graden
und breiter noch sein Maul verzieht.

Nun, Wärme mag man ja genießen –
doch dass sie auch willkommen sei,
wenn hoch die Temp’raturen schießen,
ist leider Koks, und zwar hoch drei.

Doch die gewohnt, uns einzuseifen
mit ihrem plattesten Kalkül,
auf diese Rechnung sich versteifen:
Mehr Hitze = mehr Glücksgefühl.

Die Welt ist ihnen eitel Eden –
was für Politiker auch gilt,
die gleich gewohnt, stets schönzureden,
für was „der Mündige“ sie schilt.

Und auch die smarten Werbefritzen
gehn ja nach dieser Masche vor:
Ein Arsenal von Gags und Witzen
begöscht das kühle Kundenohr.

Weil „Schachern“ sich zum Leitgedanken
die Menschheit für ihr Sein ersann,
fieln längst auch schon die letzten Schranken –
dass man sich selbst verkaufen kann.

Da wo Geschäfte sich entfalten,
sind immer Lügen mit im Spiel,
mag noch so sehr sein Grinsen halten
der Broker mit dem Dax-Appeal.

Verzeiht, ‘s muss an der Sonne liegen,
ich bin ein bisschen abgeschweift.
Kurzum: ‘nen Brand will ich nicht kriegen,
der mir das Fell vom Leibe streift.

Ich kann mich ja auch so erhitzen,
wie ich es oben just getan
mit den diversen Unmutsspitzen
gegen geschürten Sonnenwahn.

‘ne angenehme Sommerwärme,
nicht schwül, mit einem Lüftchen lau,
genau das ist’s, für das ich schwärme –
und damit basta, Leute. Ciao.

Nun kam er doch

warmNun kam er doch, der lichte, schöne,
der Sommer endlich nach dem Lenz,
und, zack, schon spucken große Töne
die Typen von der Hörfrequenz.

Wie den Bericht sie zelebrieren
auf einmal, priesterlich gekonnt,
die da im Radio reportieren
tagtäglich von der Wetterfront.

Sie jauchzen gradezu Choräle
zu Orgel und Harmonium,
verheißen jeder frommen Seele
den Eingang ins Elysium.

Und preisen so sehr diese Grade,
die manchmal über dreißig gehn,
dass sie die schlimmste Eskapade
der Säule noch als super sehn.

Wobei sie sich so toll gebärden
(wie’s bei ‘ner „Sendung“ zu verstehn),
als wär’s jetzt sonniger auf Erden,
weil selber sie am Knöpfchen drehn.

Ihr Haupt umwallen Sonnenstrahlen,
dem Mund entträufelt Honigseim.
Der Bauer macht sich nur mit Qualen
auf dies Aride seinen Reim.

So wie man einem von Millionen
verkündet, dass sein Los gewann,
euphorisch eigens sie betonen,
wie hoch die Hitze steigen kann.

Dass es ‘ne Menge Zeitgenossen
auch gibt, die höllisch leiden jetzt
und lieber pudelnass begossen,
als von der Sonne Stich geätzt

Ist wohl für die, die moderieren
(entgegen dieses Wortes Sinn),
kein Thema, weil (um zu zitieren):
„Ich denke nicht, darum ich bin.“

Es muss da wohl so ‘n Passus geben
im Rundfunkredakteursstatut:
Nur immer hitzig höher streben,
das tut auch der Karriere gut.

Wie sie akustisch gleichsam grinsen
mit ihres Timbres Äthercharme!
Wahrhaftigkeit geht in die Binsen.
Die Welt ist kalt, selbst wenn sie warm.