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Heute kranke See

Man muss schon Fantasie besitzen,
will heut man sich am Meer erfreun,
an Wellen, deren Zähne blitzen
vom Sonnenstrahlen-Wiederkäun.

Nein, eher ‘nen Belag sie zeigen
von pelz’gem Tang- und Algengrün,
aus dem nicht Wohlgerüche steigen
und keine lust’gen Funken sprühn.

Wie eine wabernde Kloake
das ewig offne Maul der See,
die bläulich sonst gefärbte Lake
verschimmelnd rings in Luv und Lee.

Und um die Fluten aufzurühren,
wie wild der Südwind sie bestürmt,
dass jeden Hammerschlag sie spüren,
mit dem er sie zu Haufen türmt!

Die letzte Phase vor dem Kochen –
schon brodelt alles und sich bäumt,
eh’s wie ein Fass, das angestochen,
in wilden Sprüngen überschäumt.

Wer möchte da den Korken spielen
mit seiner Jolle oder Jacht,
wer hoffen, Beute zu erzielen,
hat er die Netze ausgebracht?

Gewaber nur und nicht Gewimmel –
kein Schiff, so weit das Auge reicht;
ein tiefer, wolkenschwerer Himmel
den ganzen Horizont durchweicht.

Soll man’s der Möwe da verdenken,
dass ihre Schwingen sie mal schont,
statt ihren Hals sich zu verrenken
fürn Fischfang, der die Müh nicht lohnt?

Und diesen Wesen, die da hausen
im unbesonnten Kellerloch,
dass vor dem Brüllen und dem Brausen
man sich noch tiefer drin verkroch?

Indes was ist daran so schade,
wenn es die See ‘nen Deubel schert
und statt der lächelnden Fassade
sie uns auch mal den Hintern kehrt?

Wie alles, was naturgeboren,
ist ehrlich sie bis auf die Haut
und lässt sich selbst nicht ungeschoren,
wenn die zu viel ihr blüht und blaut.

Dies denn wohl einer der Momente,
da ihr die Galle überfließt
und sie die Plastikexkremente
mit Schmackes auf die Strände gießt!

Reichlich Bahrgeld

Reichlich überflüssigBesitz scheint Würde zu verleihen,
man sieht’s den Gutbetuchten an.
Jackett nach Maß, zwei Knöpfereihen.
Und Jolle, Jaguar, Dobermann.

Man geht mit stolz erhobnem Haupte
und aufrecht durch das Weltgeschehn.
Man näselt etwas, lässt geschraubte
Sentenzen aus der Kehle wehn.

Man gibt sich immer ungezwungen,
die Seelen tätschelnd, jovial.
Ja, Freunde, uns ist es gelungen.
Nehmt’s nicht zu schwer. Ein andermal …

Man pflegt ein Dutzend Mitgliedschaften
in Clubs von tadellosem Ruf –
der bleibt dezent an einem haften,
gediegen, vornehm, waterproof.

Natürlich liebt man auch Vergnügen,
je teurer, desto mehr Genuss:
Auf Skiern durch die Wellen pflügen,
hoch schweben wie einst Ikarus.

Auf großem Fuß, in großem Stile,
nie kleine Münze, immer Schein.
Wie immer auch die Wanderziele,
am Ende muss es Luxus sein.

Man scheint das Glück im Griff zu haben,
läuft immer vorne in der Spur,
wie kranzgeschmückte Rösser traben
die Ehrenrunde im Parcours.

Wie Götter, die herabgestiegen
als Fremde unters Menschenpack.
Bis einst sie auf der Bahre liegen –
und abgefalln der ganze Lack.

Die sich so glanzvoll stets gegeben,
sie ziehn dann in ein dumpfes Haus.
Und, ach, zum ersten Mal im Leben
sehn irgendwie sie menschlich aus!