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Ein Höllenlärm

Ein HöllenlärmSo Charaktere zu studieren,
das macht mir immer wieder Spaß,
in andre Seelen zu spazieren,
zu andrer Geister Blick und Maß.

Da kenn ich keine Standesschranken,
fühl mich in jeden gerne ein,
beflügelt nur von dem Gedanken,
ihm innerlich ganz nah zu sein.

Doch meist bekommt dem guten Manne
die übergroße Nähe nicht,
hau ich ihn ja doch in die Pfanne
nach Strich und Faden im Gedicht.

Doch wie könnt so was unterbleiben?
Gerät man in des Nächsten Dunst,
wär ‘ne Satire nicht zu schreiben
gewiss die eigentliche Kunst.

Da seh ich also heute einen,
der Gas gibt bis zum Gehtnichtmehr,
auf ‘ner Maschine mehr zu scheinen
als sonst im menschlichen Verkehr.

Und ohne Rücksicht auf die Ohren
der Leute, die empfindlich sind,
dünkt er im Donner der Motoren
sich mächtig wie ein Wickelkind.

Für den hat Jesus auch gelitten
(heut ist Karfreitag nebenbei).
Im Himmel fährt er sicher Schlitten
mit solchen Feinden der Schalmei.

Kleine Modifizierung

Kleine ModifizierungEs sollte immer gültig bleiben,
von Juvenal, dies biss’ge Wort –
unmöglich sei es, nicht zu schreiben
Satiren nur in einem fort.

Doch wenn es wirklich das nur wäre!
Wenn wenigstens man högen könnt!
Wenn uns die Welt als einz’ge Zähre
nur die aus Jux entstandne gönnt’!

Nein, diese größre Flut der Tränen
der Lust, zu spotten, nicht entquillt;
sie stammt aus seelischen Migränen,
die kein befrei’ndes Lachen stillt.

Das ganze Elend, das zum Kotzen!
Der Katalog der Barbarei!
Gemetzel, das wir täglich glotzen
und knabbern Salzgebäck dabei!

Gewalt in allen Varianten,
aus Dummheit, Egoismus, Hass –
die Gründe stets die altbekannten,
und bodenlos wie je das Fass.

Und dies ist nur die eine Seite
der Münze, die am meisten gilt;
die andre zeigt in ganzer Breite
des Hochmuts und der Lüge Bild.

Weit eher, ach, noch als Satiren
verfasste man ein Trauerspiel:
Nach Glück die Menschen alle gieren –
zerreißend sich für dieses Ziel.