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Allmählich dämmert`s

Allmählich dämmert'sDie heimeligste Atmosphäre:
Mein Stübchen in gedämpftem Licht;
nicht Helle und nicht schwarze Schwere –
des Dämmers mildes Angesicht.

Die Wände, blass in Gelb gehalten,
verraten noch der Farbe Ton,
der da nur, wo die Schatten walten,
dem Regenbogen schon entflohn.

Das Sofa, das wie angegossen
genau in seine Ecke passt,
zeigt sich in Blau noch, leicht verschossen,
doch dass die Netzhaut es erfasst.

Laternenschein hat sich verfangen
in der Gardine dichtem Flor,
doch bleibt, wenn auch mit glühnden Wangen,
auf dem Balkone außen vor.

Dazu dann die perfekte Stille.
Kein Mäuschen raschelt noch herum.
Und selbst die Glocken (Gottes Wille!)
stehn seit dem Angelus schon stumm.

Da sammle ich denn die verstreuten
Gedanken auf ein Blatt Papier,
um zum Poeten mich zu häuten,
der züngelt durch sein Sprachrevier.

Wie immer dauert`s eine Weile,
bis ich `nen guten Fang gemacht.
Stellt euch nur vor, bei dieser Zeile
(erst Strophe sieben!) wird`s schon Nacht!

Dunkle Worte

Dunkle WorteEs ist ein Kreuz, ich geb es zu,
nur abends Verse zu verbocken.
Vom Eise ist des Tages Kuh,
der Bürger sitzt entspannt in Socken

Und stiert seine Ikone an
so gläubig etwa wie ‘ne Flunder,
die wohl ein Krimi dann und wann
beglückt mit einem blut’gen Wunder.

Nichts ist mehr auf der Straße los.
Verpieselt ha’m sich die Passanten.
Das Auto kriegt’ ‘nen Gnadenstoß
und scheuert sich an Bordsteinkanten.

Ein Strahle-Himmel, Lichtermeer –
wer wollte damit heut noch punkten?
Aurora!, mir von Delphi her,
Aurora!, schon Orakel unkten.

Die Morgenröte, ach, indes,
sie bringt mich noch nicht in die Hufe.
Ihr kühler Kuss wär mir nur Stress
statt Ansporn zu dem Dichtberufe.

Die Glieder sind noch starr und steif,
auch das Gehirn kommt nicht auf Touren.
Erst wenn ich zu den Sternen greif,
dann ticken mir die Musenuhren.

Erwartet kein Erwachelied,
den Vögeln gleich zu jubilieren.
Die Früh ist nicht mein Jagdgebiet –
muss mit der Nacht mich arrangieren.