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Kurze Blütezeit

kurze-bluetezeitDer Kirsche Blütenbüschel sinken
ermattet schon von ihrem Zweig,
in schmutz’gen Pfützen zu ertrinken
auf Fahrbahn und auf Bürgersteig.

Die bunt gescheckten Krokusfluren,
am Saum der Straße hingestreckt,
verschwanden schon bis auf die Spuren,
die wo im Grase noch versteckt.

Und all dies baumelnde Geschmeide,
mit dem der Hasel sich geschmückt,
die bräunlich-gelbe Augenweide
hat stürmisch ein Galan gepflückt.

Der Osterglocken goldne Kelche,
die sich so stolz im Wind gewiegt –
seht welk und schlaff sie nun und welche,
für die kein Stängel sich mehr biegt.

Des Jahres erste Frühlingsboten,
die uns so heiß willkommen sind,
gehören halb schon zu den Toten,
auf die kein Schwein sich mehr besinnt.

Scham sollte mir die Wangen röten,
dass ich den keuschesten vergaß –
Magnolien, in dern weiße Föten
so rasch der Wurm sich wieder fraß!

Millionenfach springt uns das Leben
mit Farben und mit Düften an,
wir müssen nur die Sinne heben,
dass es uns nicht entgehen kann.

Und wenn man deren hundert hätte,
sie söffen sich am Sein nicht satt,
so riesig ist des Raumes Stätte,
an die das Los gepflanzt uns hat.

Doch diese Sinne, ach, sie trügen
und träumen wohl auch unentwegt,
dass sie nicht mal dem Fleck genügen,
auf dem man sich durchs Dasein schlägt.

Am Ende hat man nichts begriffen
und wundert sich wie neugeborn.
Zu spät. Das Spiel ist abgepfiffen.
Und nicht nur eine Schlacht verlorn.

Wechselbäder garantiert

Wechselbäder garantiertDem ist nichts Neues eingefallen,
der treibt die alten Possen noch:
mal Schnee zu feuchten Klumpen ballen,
mal Heizen aus dem Wolkenloch.

Mal streut er Hagel auf das Pflaster,
mal sprüht er es mit Niesel ein –
heut starker Tobak, Teufelsknaster,
und morgen „Milde Sorte“ fein.

Mal bricht er einen Sturm vom Zaune,
mal lässt er kaum ein Säuseln zu –
das ganze Abc der Laune
‘ner Diva, vulgo dummen Kuh.

Mehr brauch ich ja wohl nicht zu sagen,
ihr wisst, wen ich im Auge hab?
Genau. Seit etwa vierzehn Tagen
hält der April uns schon auf Trab.

Ins Wechselbad der Temp’raturen
hat Mann und Maus er jetzt getaucht,
da safrangelb schon alle Fluren
und Grün aus allen Wipfeln haucht.

Mag er des Krokus Frösteln spotten,
der, Blume, sich nicht wehren kann –
wir ziehen, statt sie einzumotten,
die Winterfummel wieder an.

Und anderntags, wenn jäh die Sonne
im Äther surft zum Zeitvertreib,
gehn wir, o Weiser in der Tonne!,
nur mit dem Gröbsten auf dem Leib.

Den ganzen Fundus von Geweben,
fürs wechselhafte Jahr gedacht,
muss man dem Stutzer übergeben,
der sich gefällt in jeder Tracht.

Die dicken Jacken überwiegen
indes das locker-luft’ge Kleid.
Man kann sogar noch Nachtfrost kriegen
in dieser nord’schen Regenzeit.

Aus dem Kalender sollt man streichen
den übermütigen Filou.
Elf Monate, die müssten reichen –
wo nicht, ‘nen zweiten Mai dazu!

Es regnet. Durch die Fensterritzen
schneit kühl ein feuchter Wind herein.
Ich müh mich, Verse auszuschwitzen,
doch ständig zieht’s im Hosenbein.

Ja, mählich tastet sich die Kälte
nach oben zwischen Hemd und Haut,
als ob sie der Trabant da schwellte,
dem Flut und Ebbe anvertraut.

Die Luken fester noch verriegeln,
und notfalls Decke, Muff und Schal!
Nichts hilft ja, als sich einzuigeln
zum Winterschlaf ein zweites Mal.

Doch gibt es auch ‘nen Hoffnungsschimmer
in dieses Monds Martyrium:
Auch dieses heilt die Zeit wie immer –
zur Hälfte ist er ja schon rum.

Märzabschied

MärzabschiedEin Stückchen ist noch ungegessen
von diesem schönen Kuchenkranz,
der über dreißig mal besessen,
als er gebacken grad und ganz.

Doch auch das letzte wird noch landen
im ewig mahl’nden Maul der Zeit,
die nicht ‘nen Krümel lässt vorhanden
vom Tag in der Vergangenheit.

Dann ist auch dieser März zu Ende,
verblichen auf der Jahresuhr,
und bleibt als Nachhall im Gelände
nur noch der Blumen bunte Spur.

(Dass seiner Lebenslust entgegen
sein Name auch für Unheil steht,
ist ja nicht ihm zur Last zu legen,
nein, auf des Menschen Kappe geht

Der, den Instinkten treu geblieben,
die unverdunkelt vom Verstand,
von Macht- und Geldgier angetrieben
den Krieg sowie den GAU erfand.)

Wie’n frühlingslüftetrunkner Zecher
des Krokus Kelch nach Füllung schreit,
ein hochgereckter „Märzenbecher“ –
gäb’s dafür noch kein Copyright.

Mehr Blumen will ich nicht bemühen.
Was bräucht es auch ‘ne Inventur?
Seht sie mit eignen Augen blühen
selbst in der Stadt bescheidner Flur!

Dies Erbteil macht dem Monat Ehre,
gerecht für alle ausgestreut,
dass jeder ‘s mit dem Blick verzehre
und frohen Herzens wiederkäut.

Und wenn er selber längst entschwunden,
kein Hahnenfuß mehr nach ihm kräht,
dann wuchert noch mit seinen Pfunden
der Sommer, der sich drauf versteht.

Erst wenn im Herbst, im rauen Winde
an Ast und Halm verdorrt das Laub,
droht auch dem Blumenenkelkinde
des Frühlings dieser Erde Staub.

Geht’s so nicht auch den Menschenwesen,
die, kaum im schönen Dasein drin,
schon weggefegt von Chronos’ Besen –
und auch, was bleibt, fährt bald dahin?

Doch ob mit ihrem Schicksal hadern
die Blätter, die’s vom Stängel reißt?
Wer weiß, ob in den welken Adern
nicht längst schon neues Leben kreist.

Auf in den Frühling

Auf in den FrühlingAuf diesen Kerl ist in der Regel
nicht grade unbedingt Verlass –
doch heute stieg der Silberpegel
der Säule, dass er „14“ fass!

Und pünktlich mit dem ersten Tage,
für den sein Kommen avisiert,
verbessert sich die Wetterlage,
so wie sie einen Frühling ziert.

Wie wird die Krokusse das freuen,
die schon in kleinen Grüppchen stehn,
um Gelb und Lila einzustreuen,
wo sonst nur Wiesengrün zu sehn.

Sie haben lange zittern müssen,
dass Sturm sie nicht vom Stängel reißt
und ihnen Frost mit eis’gen Küssen
‘nen schlechten Liebesdienst erweist.

Auf einmal alles Schnee von gestern.
Jetzt schmiegt man sich voll Lebenslust
mit manchen andern Blumenschwestern
an eines Zephirs breite Brust.

O dieses Glück, es möge dauern –
und auch das unsre, lenzverliebt.
Doch munkelt man schon was von Schauern
und dass ein Tief sich näherschiebt.

Das wär dann wohl der Schnee von morgen –
der mich wie der verflossne schert.
Muss ich denn heute mich schon sorgen,
zerstören, was noch unbeschwert?

Ins Freie schnell hinaus, ins Grüne!
Und keinen Schal mehr um den Hals!
Ich stürze auf die Weltenbühne –
und bin Statist da allenfalls.

Die lauen Lüfte zu genießen,
ergeht sich schon das halbe Land,
beäugt von Krokussen, die sprießen
als Publikum am Wegesrand.

‘ne veritable Massenszene,
doch ohne Richtung und Regie.
Geordnet ziehen nur die Schwäne,
der Alster stolzes Federvieh.

Mit Müh ich mich und dicken Backen
durch diese Völkerwand’rung wühl.
Trät jetzt mir einer in die Hacken,
dann hätt ich gar ein Lenzgefühl!

Das Gesetz der Politik

Das Gesetz der PolitikDa ist sie wieder, die Konstante,
die Einstein mit ‘nem Geistesblitz
unendlich wie den Kosmos nannte:
der Menschendummheit Aberwitz!

So fröhlich spielt der mit dem Feuer
wie’n Kind, das die Gefahr nicht kennt,
dass erst ihm etwas nicht geheuer,
wenn längst die ganze Hütte brennt.

Politiker in allen Breiten:
„Wir haben alles fest im Griff.
Nie wird das Ruder uns entgleiten.
Nur Spinner faseln was von Riff.“

Und auf dem Staatsschiff transportieren
sie ruhig manches Pulverfass.
„So’n Ding kann gar nicht explodieren,
wir halten es ja ständig nass.“

Kawumm! Mit Donner und Getöse
zerplatzt die schöne Illusion –
erwischt es heute Nippon böse,
so uns vielleicht auch morgen schon.

Die Logik der Politschamanen,
die ständig Sicherheit beschwört,
da schleudert sie aus ihren Bahnen,
die ewig, hieß es, ungestört!

Das Chaos straft die Schwätzer Lügen,
und Angst befällt der Bürger Herz,
indes Atom in vollen Zügen
verströmt sich erd- und himmelwärts.

Und unbeständig mit den Winden
nach hier mal und nach da geweht,
lässt rasch das Strahlengift sich finden
in Wasser, Luft und Gurkenbeet.

Dann wird ermittelt und gemessen,
Verantwortung wird vorgeschützt,
die wen’ger Volkes Interessen
als denen der Schamanen nützt

Die gern des Umstands sich bedienen,
der in Vers eins geschildert ist,
dass schon beim Anblick ernster Mienen
Herr Meier seine Not vergisst.

Wenn dann die Trümmer nicht mehr rauchen,
der Wind die Strahlenpest verjagt,
beginnt man gleich, zurechtzustauchen,
was an der Wahrheit nicht behagt.

Vor allem heißt’s herunterspielen,
dass uns Gefahr vom Meiler droh:
„Wir stehn zu den bewährten Zielen.
Und Pannen gibt’s auch anderswo.“

O-Ton der Herrn mit weißer Weste.
Und ihre saubre Energie
verkaufen wieder sie als beste –
bis zu der nächsten Havarie.

Der Mensch wird wohl erst wirklich schlauer,
wenn’s für die Schläue schon zu spät
und er im letzten Teilchenschauer
mit allem vor die Hunde geht.

Auch um den Frühling wär’s geschehen,
der jetzt grad webt am Blütenflor.
Heut hab ich Krokusse gesehen –
nie kamen sie mir schöner vor.