Schlagwort-Archive: Laozi

Frisch gewagt also

Frisch gewagt alsoAuch eine Tausendmeilenreise
beginnt mit einem einz’gen Schritt,
wusst schon der alte China-Weise,
bevor sein Fuß an Blasen litt.

Doch muss man gar so weit nicht stecken
das Ziel, das man ins Auge fasst,
die ganze Wahrheit rauszuschmecken
vom Wagnis, das den Aufbruch hasst.

Ich kann ein Liedchen davon singen,
da täglich ich ins Weite schweif,
um aus dem Brägen heimzubringen
‘nen Vers, der konsumentenreif.

Was für ein Akt, den Stift zu heben,
der lauernd überm Blatte kreist,
und jäh ihm dann den Stoß zu geben,
dass schreibend er sich drin verbeißt!

Wie zögert erst die Adlerkralle,
wie unstet hastet erst der Blick,
bis endlich flugs im Niederfalle
die Beute baumelt am Genick!

Und so befreit von weitren Zwängen,
hält sie ihr Opfer eisern fest
und bringt es in bewährten Fängen
ganz unversehrt ins Felsennest.

Ach, müsste ich wohl tausend Meilen
um eines Verses willen gehn –
ich würde lieber hier verweilen
und hunderttausend Däumchen drehn!

Laozis Utopia

Laozis UtopiaEin Land sei nur gering an Fläche
und klein die Zahl der Menschen auch.
Da schaff man mit des Armes Schwäche
und groß Geräte nicht gebrauch.

Gefahren soll man sich versagen
und weite Reisen sich ersparn.
Und hätt man Schiffe auch und Wagen,
soll keiner doch mit ihnen fahrn.

Und stünden Waffen zu Gebote –
es nehme niemand sie zur Hand.
Und dass man Schnüre wieder knote,
wie sie voreinst als Schrift verwandt.

Und jedem sei es dort beschieden,
dass gut er nähre sich und kleid.
In jedem Hause herrsche Frieden,
in allen Herzen Fröhlichkeit.

Das Nachbarland lieg gleich daneben,
dass Hund und Hahn herüberschallt –
doch nie soll wer sich hinbegeben,
und werd er hundert Jahre alt.

Dao Dejing, 80

Laozi spricht

Laozi sprichtKann Wahr und Falsch zu unterscheiden
und Gut und Böse wer mich lehrn?
Das, was die Leute gerne leiden,
das eben halten sie in Ehrn!

Bleib ich denn ewig ausgestoßen?
So strahlend alle, Mann und Frau,
als ging’s zum Opferfest, zum großen,
auf Türme hoch zur Frühlingsschau.

Nur mir ward noch kein Weg beschieden;
wie’n Säugling, dessen Blick noch leer,
bin ziellos ich und irr hienieden,
als ob ich ohne Heimat wär.

Wie reichlich allen es gegeben,
indes ich arm mein Dasein frist,
und wie viel Glanz in ihrem Leben,
da meines wirr und trübe ist!

Wie klug, die in der Welt da weilen
und nicht wie ich verschlossen sind,
der immerfort bereit zu eilen
nach hier und da wie Welln im Wind.

Von Zwecken wissen sie und Zielen,
da ich wie ‘n Bettler müßig bin.
Nur ich schein anders als die vielen –
und zehr doch gern vom großen SINN.

Dao Dejing, 20