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Kreuzfahrt zu Lande

kreuzfahrtDaheim, daheim von großer Fahrt.
Europa halb durchquert.
An Kunst und Kirchen nicht gespart.
Und sonst auch wohlgenährt.

O Málaga, o Altstadtgassen,
so klein, um Tapas grad zu fassen!
Dafür der Hafen, weit und leer,
ein gier’ger Mund zum Meer!

Komm, lass uns nach Comares steigen,
ich will dir einen Friedhof zeigen,
der alles überragt!
Wir klimmen Richtung Hügelspitze
im Würgegriff der Mittagshitze
durchs Dörfchen unverzagt.

Verwinkelung in Weiß
und Blumen überall.
Am Ende unsrer Reis‘
ein christliches Walhall.

Der Toten trister Taubenschlag
mit herrlich weiter Sicht.
Zementgeviert statt Sarkophag
und Plastik-Rosen schlicht.

Doch wo die Menschen noch am Leben,
sich aus den Gartenbüschen heben
die frischen Blüten bunt,
da in der heilgen Höh hienieden
haucht Gottes Nähe Gottesfrieden
schon vor der letzten Stund.

Nach Frigiliana also dann,
da gibt’s ‘nen süßen Roten.
Ein Lädchen unser Aug gewann,
so recht, ihn auszuloten.

Da reichte man uns zu den Trauben
ein Heilandsbildchen als Geschenk,
wohl auch, an seine Kraft zu glauben,
des Herrenblutes eingedenk.

Doch wurde, Gott zu loben,
je prächtiger gebaut,
als was wir, fest verwoben,
in Córdoba geschaut?

Unlöslich eins ins andere verschlungen,
zu einem Leib verschmolzen, einem Stein:
Moschee und Kirche. Um mit gleichen Zungen
zu einem Herrgott aufzuschrein.

Was hältst, Granada, du dagegen?
Wie schlägst du Reisende in Bann?
Mit einer Burg, am Hang gelegen,
die sich ein Sultan einst ersann.

Sich wuchernd wiederholende Strukturen,
die kristallinisch alles überziehn
zum Tanz von Arabesken und Figuren
in Stuck erstarrter Harmonien!

Und überall ist Allahs Name
in dies Gewirr von Linien gesät,
so wie wer seiner Herzensdame
in spröder Rinde seine Glut gesteht.

Wie mag’s im Sommer hier wohl gleißen
bei gut und gerne dreißig Grad!
„Ich will nicht, Ullah!, Sultan heißen,
wüsst ich nicht dafür mir auch Rat.

Nur einen Katzensprung von dieser Stelle
baut mir ein schattiges Asyl!
Lasst Thujahecken wehrn der Helle
und Wasser rieseln klar und kühl!“

Alhambra und Generalife –
wie Wünsche, die ein Dschinn erfüllt
dem Herrscher ungesäumt,
da unten in des Tales Tiefe
in Dorn und Dickicht eingehüllt
die Stadt von Freiheit träumt.

Doch triumphal Toledo thront
hoch über Schluchten, die der Fluss sich gräbt,
auf einem Gipfel, den kein Wind verschont,
wenn im Gewitter er erbebt.

So furchtlos wie ein Kirchenmann,
der fest im Glauben ruht.
Die Kathedrale zeigt es an:
Man ist in Gottes Hut.

(Da baumeln Kappen von der Decke,
die Kardinäle einst geschmückt,
die jetzt wo in ‘ner dunklen Ecke
der ird’schen Eitelkeit entrückt.)

Ach, wie vergänglich, wie morbid
der Glanz auch weltlichen Geprägs,
der nach Aránjuez uns zieht,
die nach Madrid wir unterwegs!

Was für ‘ne Pracht erlesener Substanzen,
die mehr durch Fülle glänzen denn Geschmack,
Akanthusblätter nur als Zimmerpflanzen,
als Gärtner nur Lakai’n im Frack!

Man sieht, was gut und teuer ist,
den ganzen Prunk der Zeit
und desto deutlicher vermisst
‘nen Schuss Gemütlichkeit.

Vielleicht im Park bei den Fontänen,
wenn schon die Tageshitze weicht
und alle sich nach Schatten sehnen,
die kühlen Statuen selbst vielleicht?

Und dann Madrid: viril, urban,
dynamisch, quirlig und spontan,
rein nichts von Dorfidylle!
Im roten Doppeldeckerbus
zwei Stunden Rundfahrthochgenuss,
Madrid in seiner Fülle!

Am Abend diese Tapas-Bar,
die voll und voll gemütlich war,
am Straßenlärm gemessen.
Bei Schinken, Wurst und „San Miguel“
verging die Zeit uns furchtbar schnell –
doch seht, nicht unvergessen.

Man muss nach so viel City-Leben
auch der Provinz ’ne Chance geben,
dass man den Geist entspann.
So trieben uns die Ruhgelüste
direkt an die Atlantik-Küste
nach San Sebastián.

Scheint nicht der Strand wie’n goldner Reifen
um dieses Blau der Bucht zu schweifen,
ein Diadem aus Staub?
Und jene Villen auf dem Hange,
sind sie nicht Fibel ihm und Spange,
dass Neptun ihn nicht raub?

Doch wie hilft mir die Fantasie,
die Landes euch zu schildern?
So viele Kiefern sah ich nie
am Wegesrande wildern!

Wohin ich auch mein Auge warf,
es mit Natur zu nähren,
es deckte seinen Bildbedarf
allein mit Koniferen.

Mehr hab ich hier als Tour-Rapport
zu bieten nicht und beichten;
es lief so monoton ja fort,
bis wir Bordeaux erreichten.

Da ging es nicht so bräsig her
wie auf dem platten Lande,
die Stadt ein einzges Menschenmeer,
„Bonheur“ als Konterbande.

Was ist das für ein Trubel dort,
da bei der hohen Säule?
Man hört ja nicht sein eignes Wort,
Pardon, bei dem Geheule!

Zum Glück sind sie in Stein erstarrt,
die braven Girondisten,
die in des Rummels Gegenwart
ihr stilles Dasein fristen.

Mann, siehst du auch, was ich da seh?
Das scheint mir optimal:
Ein Riesenrad. Und mit ’nem Dreh –
Sightseeing vertikal!

Wie einer Braue sanfter Schwung
legt dunkel sich und matt
der Fluss in dieser Dämmerung
um die entflammte Stadt.

Wir sehen rechts die Brücke noch,
die wuchtig ihn durchquert,
dann stürzt die Gondel in ein Loch.
Wir landen unversehrt.

Nicht lange, und wir brachen auf,
geweckt vom gall’schen Hahn.
Die Kassen nahmen wir in Kauf
auf flotter Autobahn.

O Frankreich, das du groß an Geist
wie auch an Fläche bist –
wir haben zügig dich durchreist
in Ein-, Zweitagesfrist!

Hier gab die Loire uns das Geleit:
Parks und Paläste pur;
da dehnte öde sich und weit
der Somme blut‘ge Flur.

Noch leidlich hoch die Sonne stand
am Wolkenfirmament,
als Namen man auf Schildern fand
wie Kortrijk, Luik und Gent.

Da hatten wir’s zu guter Letzt
ins Flandrische gebracht,
nicht müde und nicht abgehetzt,
doch grad noch vor der Nacht.

O Brügge, wo des Flamen Seele
in Stein sich offenbart,
wo Giebel, Gassen und Kanäle
nach alter Meister Art!

Des Mittelalters kleine Welt
in Flair noch und Gestalt:
Ein Belfried, der den Tag „verbellt“,
ein Pflaster, das noch hallt

Vom Hufschlag flinker Pferde,
die der Verkehr nicht schert,
Besuch der ganzen Erde
im offenen Gefährt.

Die Zeit scheint stillzustehen
an dem verwunschnen Ort –
doch was wir auch gesehen,
es war nicht Bruges-la-Morte!

Jetzt erst mal Impressionen
von solchem Schlag entbehrn.
Doch glaub ich, dass Äonen
von diesen wir noch zehrn.