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Verkrümelung

Als Vorsatz zwar nicht ausgesprochen
und heimlich nicht einmal gedacht,
hab ich doch mit dem Brauch gebrochen,
der Weihnachten so schmackhaft macht.

Mit Keksen Schluss und Schokolade,
Krokant und Kuchen und Konfekt
und jeder Form von Eskapade,
in der ein Haufen Zucker steckt!

Bin sonst nicht so ‘ne süße Schnute,
die’s dick mit Näschereien hat,
doch rund ums Fest ist mir zumute,
als würd ich ohne gar nicht satt.

Dann kann ich gar nicht so schnell schlecken,
wie neue Tütchen ich mir hol,
um mich mit Mengen einzudecken,
die’s reinste Gift fürs Magenwohl.

Ja, wenn die Sinne mich nicht trügen:
Beginnt man mit dem Zeug erst mal,
entfaltet es in vollen Zügen
sein knusperfreud‘ges Suchtpotenzial.

Wer zählt die feinen, flücht’gen Happen,
die auf der Zunge fast zergehn?
„Na, einen will ich mir noch schnappen,
hm, lecker, ehrlich – Madeleine.“

Auf diese milde Variante
‘ne kräftigere folgen muss.
„Doch gibt’s denn so was, ‘ne pikante?
Natürlich, hier die Pfeffernuss!“

Die Augen nur sind auf dem Posten,
doch der Verstand wie üblich pennt –
was bremst dich also, durchzukosten
das ganze Sündensortiment?

Vorbei indes die Mußestunden,
die ‘n feierliches Flair beschwörn
mit all den Dingen, die uns munden,
weil sie seit je dazugehörn.

Nicht dass sie keinen Spaß mehr machten,
ist erst die Krippe abgebaut,
doch muss man schließlich wieder achten
auf die Figur, die man versaut.

Doch dann liegt jäh dir auf dem Magen
der große Rest der Schlemmerzeit!
Die Altlast gilt’s noch abzutragen.
In Wochen. Und nach Haltbarkeit.

Kunstkonditor

KunstkonditorNur immer kleine Brötchen backen
hat ihn nie völlig überzeugt,
in aller Herrgottsfrüh den Nacken
tief über Sauerteig gebeugt.

Ihm hat, wie’s heißt, seit Kindesbeinen
was Anspruchsvollres vorgeschwebt –
das Handwerk mit der Kunst zu einen,
das Ideal mit dem, was lebt.

So hat er sich der Haute Cuisine
des Backens schließlich zugewandt:
der Torte, gleichsam der Terrine,
wie die Pastete auch genannt.

Und wirklich, seine Kreationen,
die Aug und Gaumen angenehm,
mit nobler Kundschaft ihn belohnen,
die Creme gesellend sich zur Creme.

So hat sie sich ‘nen Ruf erworben
im Viertel, die Konditorei –
nur erste Ware, unverdorben.
bloß nicht der Chef ganz einwandfrei.

Nicht weil da auf pompöse Weise
sein Meisterbrief im Rahmen prangt,
von Zeugnissen der Ehrenpreise
für bestes Feingebäck umrankt.

Nein, weil die schöpferische Seite
des Zuckerwerks ihm so gefällt,
dass er sich in Europas Weite
für den Rodin des Kuchens hält.

Nicht mal des Handwerks goldner Boden,
ach, hält ihn auf dem Teppich fest,
was an den völlig neuen Moden
des Auftritts sich verfolgen lässt.

Natürlich trägt den schlichten Kittel
von früher er nicht mehr zur Schau
und kleidet sich dank reicher Mittel
so farbenprächtig wie ein Pfau.

Und spreizt wie dieser auch die Federn,
dass würdig durch die Welt er schreit’,
so steif und grade wie die Zedern
des Libanon in alter Zeit.

Bekannten geht er aus dem Wege.
„Klienten“ gönnt er einen Schwatz.
An jedem Dienstag Nagelpflege.
Und mittwochs auf dem Tennisplatz.

Er ist ein neuer Mensch geworden,
seit er als Künstler sich versteht –
neronisch nicht im Brennen, Morden,
doch in dem Wahn, er sei Poet.

Ob ‘nen Gedanken er verschwendet
an das, was nach Konditern kommt?
Dass auch der Zuckerbäcker endet,
wogegen ihm kein Törtchen frommt?

Auf einmal stürzt er von der Szene –
direkt ins Loch mit einem Sprung.
Vorbei. Und keine Madeleine
weckt je ihm die Erinnerung.