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Kunststückchen

Du, kannst du durch die Zähne pfeifen,
dass keine Lippe sich bewegt?
Dir mit der Hand zum Rücken greifen,
als wär sie auf den Bauch gelegt?

Kannst du die Nasenflügel blähen,
ohne die Spitze kraus zu ziehn,
dass rhythmisch hin und her sie gehen
wie’n Kunststück à la Harlekin?

Kannst aufm Tisch mit bloßen Fingern
‘nen Trommelwirbel produziern,
der rasend schnell, doch ohne Schlingern
und seinen Takt je zu verliern?

Vielleicht auch liegen deine Stärken
doch eh‘r auf geistigem Gebiet –
womöglich kannst du gut dir merken,
was modisch auf der Welt geschieht?

So: Welches Kleid berühmte Damen
zu welchem Anlass überziehn
und, nicht zuletzt in diesem Rahmen:
Wie viele Hüte hat die Queen?

Die können dir gestohlen bleiben?
Mit Zahlen hast du mehr im Sinn?
Willst dich am Telefonbuch reiben,
die Nummern lernen, die darin?

Na, dann viel Glück! Ein Unterfangen,
das angelegt auf lange Sicht,
doch sind gezähmt die Ziffernschlangen,
auch sämtliche Rekorde bricht.

Wärn da nicht die mit gleicher Grütze,
die auch der Zahlenteufel plagt,
doch mit der Mnemotechnik Stütze
sich selbst an π herangewagt.

Fünftausend Hinterkommastellen
hat so’n Genie schon memoriert
und auch vor Fans in vielen Fällen
als große Nummer präsentiert.

Bei mir reicht’s nur zum Kreuzworträtsel
als anspruchsvollem Zeitvertreib,
wo „Labskaus“ oder „Laugenbrezel“
ich selbstbewusst in Kästchen schreib.

Wobei mir stets auch Zweifel kamen,
ob man denn alles wissen muss:
Lass durch die Lappen gehn die „Samen“
und „Ter“, den span’schen Küstenfluss!

Obwohl: Auch solche Nullitäten
erweisen manchmal sich als Schatz –
sind sie, die Reime zu vertreten,
in Strophe elf denn nicht am Platz?

Allerlei Geistesgrößen

Allerlei GeistesgrößenDes Haushalts kleine Alltagsdinge
beschäftigen sie ausnahmslos –
die Schärfe einer Messerklinge,
der Pegelstand des Bierdepots.

Ihr werter Busenfreund indessen
hält von dem Weiberkram nicht viel,
hat rein geschäftliche Int’ressen,
hofft täglich auf den großen Deal.

Dafür ein anderer Bekannter
sich der Kultur weiht und dem Geist,
der Frage etwa auch, was „Panther“
auf Quechua und Aztekisch heißt.

Das kann natürlich nur noch toppen
der Polyhistor Dr. X –
gewohnt, das Hirn sich vollzukloppen
mit seinen Mnemotechnik-Tricks.

Ein bisschen fällt aus diesem Raster,
weil Hobby und Beruf er mischt,
der von Vermessung und Kataster,
der gern nach Millimetern fischt.

Man sollte meinen, so ‘ne Bande
kriegt nie man unter einen Hut –
bei diesem Spektrum von Verstande,
bei diesem Berg an Geistesgut!

Doch falsch! Auf ‘ne bestimmte Weise
sie sich total konform verhält:
Schwatzt pausenlos zum Lob und Preise
der eigenen beschränkten Welt!

Kleines Lebenszeichen

Kleines LebenszeichenWie mag es, Leserin, dir gehen?
Hab lange nichts von dir gehört.
Nun ja, ich muss dir auch gestehen,
dein Los hat wenig mich gestört.

Um es mal offen auszusprechen:
Ich ging ganz in Gedichten auf.
Dass dabei Bindungen zerbrechen,
das nahm ich unbewusst in Kauf.

Doch neuerdings trag ich Bedenken.
Ist das der Weisheit letzter Schluss,
bedingungslos sich zu versenken
in so ein selbstgewähltes Muss?

Ist Egoismus nicht die Quelle,
die solcherart Hingabe nährt,
dass wie ein Köter um die Pelle
man zwanghaft mit der Schnauze fährt?

Kenn ich nicht auch genügend Leute,
die reiten auf ‘ner Grille rum,
dass selbst ‘ner Kuh, die wiederkäute,
die ew’ge Leier wär zu dumm?

„Die Ohren auf, ihr Einfaltspinsel,
der Meister gibt sein Wissen preis,
mit dem verglichen nur Gewinsel,
was sonst wer zu verkünden weiß“!

Und diese selbstgerechten Schlauen,
die lauthals ihre Botschaft krähn,
verstehn nicht, dass sie Böcke bauen
und allen auf den Zeiger gehn.

(An einen kann ich mich entsinnen,
dem es gelang, auf Höchstniveau
‘nen Endlosfaden abzuspinnen
über den ganzen „Teilchenzoo“.

Ein andrer pflegte gern zu stärken
für Zahlen die Gedächtniskraft
und zeigte ständig, wie man’s Merken
mit Tricks der Mnemotechnik schafft.

Sich seiner Sache zu erfreuen,
ist sicher aller Ehren wert.
Doch Hinz und Kunz sie einzubläuen,
das heißt, man setzt aufs falsche Pferd.

Das schönste Thema lässt uns gähnen,
wenn einer nicht die Kurve kriegt
und wir uns auch missachtet wähnen
in dem, was uns am Herzen liegt.

Kurzum, mir soll das nicht passieren.
Der Dialog geht allem vor.
Auf keinen Fall will ich verlieren,
o Les’rin, dein geneigtes Ohr!

Bist du wohlauf und musst nichts missen?
O dass das Schicksal dich verwöhn!
Ja, alles will ich von dir wissen.
Und sag mal, liest du mich auch schön?