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Olympia

Was hat die Burschen wohl bewogen
im alten Hellas seinerzeit,
dass über Stock und Stein sie zogen
in Gaue, viele Meilen weit,

Um ihre Kräfte da zu messen
in der und jener Disziplin,
in der sie eine Chance besessen,
nicht grad den Kürzeren zu ziehn?

Warn ihre Schultern es und Schenkel,
ihr Körper, muskelübersät,
die gern sie führten ins Geplänkel,
von Stärke und von Stolz gebläht?

War es die Krone auf dem Haupte,
die man dem Sieger aufgedrückt,
die Lorbeer dunkelgrün belaubte,
als wäre sie mit Gold geschmückt?

Vielleicht die Fülle auch der Ehren,
die sich mit dem Triumph verband,
weil er’s geschafft, den Ruhm zu mehren
des Städtchens, seinem Vaterland?

Wie immer auch, er brauchte Nerven,
in seinem Wettkampf zu bestehn,
denn so ein Springen oder Werfen
konnt ziemlich auf die Psyche gehn.

Nur wer mit austrainiertem Leibe
und konzentriert bei seinem Sport,
der etwa schleuderte die Scheibe
zum Sieg und gar zum Weltrekord.

Da hat man uns, der Griechen Erben,
ein Danaergeschenk gemacht –
aus all den Trümmern und den Scherben
uns mit dem „Leistungszwang“ bedacht.

Und als man die Olympia-Leiche
erweckte im modernen Haus,
gab man die Losung ihr, die gleiche,
mit „Schneller, höher, weiter“ aus.

Ein Wahlspruch, der die heut’gen Zeiten
gleich einem Unstern überstrahlt –
mit Rittern, die auf Raub ausreiten,
und Michel, der die Zeche zahlt.

So gründet sich das ganze Leben
auf Konkurrenz und Wettbewerb
und nährt beständig das Bestreben,
dass man das Fell dem andern gerb.

Doch kommt kein Gleichgewicht zustande
im rührigen Geschäftsverkehr –
der eine füllt sie bis zum Rande,
dem andern bleibt die Kasse leer.

Das liegt in der Natur der Dinge:
Vermögen zur Vermehrung neigt,
denn mit der Zahl der Silberlinge
auch der Ertrag an Zinsen steigt.

So wird die Kluft nur immer breiter,
die Krösusse und Schlucker trennt,
bis eine Handvoll Sonnenseiter
den halben Staat ihr Eigen nennt.

Das ist die Clique, die stets schneller
nach einem fetten Happen schnappt,
den aus dem Fundus ihrer Heller
sie leichter als wer sonst berappt.

Und die den Umfang der Projekte,
die sie aufs Haben-Konto schreibt,
woran auch immer Blut sie leckte,
unweigerlich noch höher treibt.

Das Weiter kommt dann von alleine –
Gewinn entwickelt sich zur Sucht,
und mit ‘nem Haufen großer Scheine
entsteht die nächste Häuserflucht.

Schon lässt man sich von Luxus leiten,
Karosse, Villa, Segelboot,
und schlägt die Freizeit sich mit Reiten
und Golfen angemessen tot.

Nicht anspruchsvoller als so Spiele
wie Halma oder Domino,
doch nur in jenem großen Stile
beweist man sein Erfolgsniveau.

Dass viele darum darben müssen,
weil ihnen so ein Glück nicht lacht,
reizt niemanden zu Tränenflüssen,
der glänzende Geschäfte macht.

Was auch der seelenlosen Lehre
von Effizienz zuwiderlief,
denn Menschlichkeit nach dieser wäre
schlichtweg nur kontraproduktiv.

Das Hemd ist näher als die Hose –
ein Motto für die Wirtschaftswelt,
das sich beharrlich wie Sklerose
in den verkalkten Köpfen hält.

Kein Raum für edlere Gefühle.
„Wer betteln muss, ist selber schuld“.
Dem Nächsten alle Herzenskühle,
die Liebe dem Langusten-Kult!

Dies aberwitzige Verhalten,
an dem nun nichts mehr sportlich ist,
wird leider weiter sich entfalten –
indes in absehbarer Frist.

Denn was sich an begehrten Schätzen
der Nabob untern Nagel reißt,
lässt sich beliebig nicht ersetzen –
was auf ihr bald‘ges Ende weist.

Mal muss den Gürtel enger schnallen
auch wer an Überfluss gewöhnt –
hört statt Champagnerkorken knallen
den Magen, wie er knurrt und stöhnt.

Dann kann sich, Phönix aus der Asche,
Olympia regeneriern –
nicht mit der alten Leistungsmasche,
nein, nun mit: Nicht das Maß verliern!

 

Im Strom der Zeit

Im Strom der ZeitSchon wieder so ein Tag verklungen;
klammheimlich kam wie stets die Nacht.
Um Wort und Reim hab ich gerungen,
‘nen Deubel an die Uhr gedacht.

Kann man der Zeiten Strom nicht halten,
nicht hemmen diese Stundenflut?
O wärn im Worte doch Gewalten,
wie sie für so ein Wunder gut!

Da werd ich wohl noch üben müssen,
das kriegt man nicht so leicht gewuppt,
so Teiche voller Frösche küssen,
bis einer sich als Prinz entpuppt.

Wär‘s besser nicht, mit tausend Taten
zu stopfen diese hohle Frist,
als stillen Geistes zu durchwaten,
was müßig nur noch kürzer ist?

Als Feldherr an der Truppe Tête
im Sturm erobern Reich und Ruhm!
Wenn’s mir mein Sanftmut nicht verbäte,
der Gift ist für so‘n Heldentum.

Das Staatsschiff durch die Fluten steuern,
Kaptein und zweiter Mann nach Gott!
Müsst ich mein Herz nicht runderneuern:
Intrige lieben und Komplott.

Als Mime mich der Welt empfehlen,
Applaus und Bravo süß im Ohr!
Käm nicht der Hang, mich fortzustehlen,
stets meiner Eitelkeit zuvor.

Im Wettkampf alle überwinden
für Lorbeer aus Olympias Hain!
Hätt ich nicht Angst, mich fest zu binden,
und wär’s an einen Turnverein.

Der Menschheit neue Wege weisen
mit Forscher- und Erfindergeist!
Doch wie auf einem Ticket reisen,
das nur noch mehr Geschäft verheißt?

O dass ich große Wahrheit lehrte
und so die Welt zum Heile führ!
Wenn ich’s nicht besser fänd, ich kehrte
bescheiden vor der eignen Tür.

Ihr seht, ich komm hier nicht zu Potte,
fürs Ew‘ge fehlt mir das Talent.
Gemächlich folg ich meinem Trotte,
der sich in Träume nicht verrennt.

Ihr merkt es auch an meinen Zeilen,
die sicher schon ganz hübsch so weit –
und dennoch muss ich noch dran feilen:
Braucht nicht auch Gutes seine Zeit?

Am Rande des Sports

Am Rande des SportsErinnert euch: Es herrschte Frieden,
solang die Fackel noch gebrannt
den Helden, wie sie einst hienieden
olympisch nach dem Ruhm gerannt.

Und die da aus verschiednen Gauen
zur heil’gen Walstatt angereist
auf Wegen, denen nicht zu trauen,
falls unbeschützt von diesem Geist.

Denn Völker, die in sich zerstritten
aus Gründen voller Fadenschein,
sie brauchen diese strengen Sitten,
sonst hauen sie noch fester drein.

‘ne Vorsichtsregel jener Alten,
die bei den Spielen sich bewährt –
Rabauken mussten an sich halten,
bis die Athleten heimgekehrt.

Wie schade, dass im Lauf der Zeiten
man diesen Brauch nicht mehr gepflegt –
wenn heutzutage Sportler streiten,
auch der Randale Stunde schlägt.

Dann lassen ihre Fäuste fliegen
(nur äußerlich für ‘nen Verein),
die Schläger, in den Griff zu kriegen
mal dies Gefühl, ‘ne Null zu sein.

Ein Aufgebot von Polizisten
hält sie mit Mühe nur in Schach –
den Stall Augias‘ auszumisten,
ist ihre Keule viel zu schwach.

Per Zufall kriegt man am Schlafittchen
mal hier und da ein schwarzes Schaf
und schleppt das zappelnde ins Kittchen,
dass es die Pritsche hart bestraf.

Doch eine Nacht erst durchgestanden
in wohlbewachter Zelle Haft,
erlöst es aus den Kerkerbanden
der Richter mit Gesetzeskraft.

Denn ist ein Wohnsitz nachzuweisen,
an dem man angemeldet ist,
kann frei man in die Fremde reisen,
wo man in jede Ecke pisst.

Gesetz und Recht sei unbenommen,
dem Bürger, der es einst erstritt –
und wird doch stets zugutekommen
auch dem, der’s frech mit Füßen tritt.