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Zeit zeugen

Am Morgen aus den Federn springen;
die Wasch- und Frühstücksprozedur;
zur Arbeit, Firmenhymne singen,
sofern dein Standort Singapur.

Dann so gefühlte zwanzig Stunden
den Hintern vorm PC gewetzt,
bis Leib und Geist mit tausend Wunden
sich abends endlich freigehetzt.

Danach mit dicken Hamsterbacken
genüsslich seine Bissen kaun,
und während sie so runtersacken
mit einem Krimi sie verdaun.

Hat der sein Pulver dann verschossen
und zig Personen plattgemacht,
wird diese Leichenschau geschlossen
und wünscht dir fröhlich Gute Nacht.

Nun trottest du, um fortzuträumen
das megaspannende Geschehn,
in einen von diversen Räumen,
um dich von innen anzusehn.

Ein langer Anlauf, zu entwischen
dem quälenden Gedankenflug,
um erst mit Schlaf dich zu erfrischen
am frühen Morgen, kurz genug!

Schon reißt dich aus dem tiefsten Schlummer
des Weckers schriller Hahnenschrei,
und es beginnt die gleiche Nummer
wie oben Verse eins bis drei.

Ein Rhythmus, der nicht eben minder
so unbarmherzig wiederkehrt,
wie dieser Kolben im Zylinder
verbissen auf und nieder fährt.

Und wie der mit der Kraft von Rossen
sein stählernes Verlies nicht sprengt,
bist in den Job du eingeschlossen,
der dich in tausend Jacken zwängt.

Jetzt komm mir nicht mit Mußestunden,
wenn du erst mal in Rente bist!
Dann drehst du doch die gleichen Runden,
die nur auf andre Weise trist!

Die morgendliche Körperpflege
bleibt dir erhalten sowieso.
Und, gut, fühlst du dich danach träge,
treibt keine Macht dich ins Büro.

Doch so ein Tag hat seine Länge,
die selbst ein Pensionär verspürt,
der abseits der geschäft’gen Menge
ein halbes Lotterleben führt.

Das schützt ihn nicht vor Langeweile,
die immer schon im Winkel kniet,
auch wenn er mit gespielter Eile
dem Thekenplatz entgegenflieht.

Er glaubt, so frei von allen Fesseln,
in die ihn seine Arbeit schlug,
würd nun das Leben richtig kesseln
in einem steten Höhenflug.

Und knüpft, sich selber zu belügen
mit ungebremstem Tatendrang,
ein Netz gesuchtester Vergnügen
für den vermeintlich dicken Fang.

Doch schlüpft der Spaß ihm durch die Maschen,
die offenbar zu weit gespannt:
Er kann nicht mehr davon erhaschen,
als was er sonst schon darin fand.

Kann er von gar nichts profitieren?
Hat er nicht Zeit im Überfluss?
Natürlich. Um sie zu verlieren
in fadenscheinigem Genuss!

Doch müsste sich der Tag nicht dehnen,
wenn man beschaulich ihn verlebt
und eine Folge stiller Szenen
zum ewigen Arkadien webt?

Ach, wie man’s drehen mag und wenden,
dabei gibt’s keine bessre Wahl:
Verschleudre ihn mit vollen Händen,
verträume ihn – es ist egal.

Du liebst es, auf der Couch zu liegen,
zu lauschen auf des Chronos Schritt?
Nun, was du hörst, sind höchstens Fliegen.
Die Zeit fliegt aber lautlos mit.

Perfekter Abgang

Nicht jedem hat’s der Herr gegeben,
dass er mit ungebrochner Kraft
sein anspruchsvolles Arbeitsleben
vom Lehrling bis zum Rentner schafft.

So mancher, der als Geistesrecke
in Topform auf die Piste ging,
erwies sich schon auf halber Strecke
als ausgemachter Kümmerling.

Bei andern zeigt sich dieser Makel
erst kurz vor dem ersehnten Ziel –
ein eher flüchtiges Spektakel,
Befund auch hier indes: debil.

Da hatt ich also ‘nen Kollegen,
dem gern man Texte anvertraut,
bis unbekannter Gründe wegen
mental er plötzlich abgebaut.

Doch weil er einst Talent besessen
und manchen klugen Satz ersann,
ließ man das Gnadenbrot ihn fressen
wie’n Gaul, der nicht mehr ackern kann.

Man gab ihm hier und da ‘ne Sache,
die seinen Grips nicht überstieg,
dass er als alter Fuchs vom Fache
nicht auf der Bärenhaut nur lieg.

Damit kam er denn auch zurande
bis hin zum leidlichen Produkt,
und eh man’s schickte in die Lande
hat wer noch einmal draufgekuckt.

So weit, so gut. Indes der Faden,
der ungern die Geduld nur flieht,
nimmt irgendwann doch einmal Schaden,
wenn man zu heftig daran zieht.

Und da man ihm die Rechte reichte,
nahm er die Linke gleich dazu –
erbat sich nur das Kinderleichte,
die Kinken aber für die Crew.

So ist es zum Eklat gekommen.
Er wälzte einen Auftrag ab.
Der Chef ihn sich zur Brust genommen:
Der ging an dich, nun komm in Trab!

Der Gute aber schlich nach Hause
und meldete sich sterbenskrank.
Und erst nach langer Sendepause
ein Lebenszeichen, Gott sei Dank.

Er schickte, „endlich nun genesen“,
die blabla besten Grüße her.
„Kollege, der er einst gewesen,
jetzt frisch gebackner Pensionär“.