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Keine Geduld

Keine GeduldWenn ich erst lange warten müsste
auf irgendeine Schnapsidee,
bevor ich mich zum Reimen rüste:
Behaglich auf dem Kanapee

Gebreitet die morbiden Knochen,
den Geist nur mäßig angespannt,
und erst nach Tagen oder Wochen
das Schreibgelüst mich übermannt

Würd mir gewiss der Faden reißen,
der die Geduld am Zügel hält,
und ich den ganzen Krempel schmeißen
ins letzte Eckchen dieser Welt.

Will sie mir aus dem Quell nicht regnen,
dem Pierien Dichterkraft verlieh,
kann sie im Mondschein mir begegnen,
die bloß sporad’sche Fantasie.

Doch seht, ich mache fröhlich weiter,
mein Kuli kurvt noch übers Blatt.
Beweis: Der Musenklepper-Reiter
stets frisches Heu im Schober hat.

Sobald ich nur zur Lyra greife,
erklingen auch die Töne schon,
und völlig ohne Warteschleife
wie manchmal die beim Telefon.

Nur Störgeräusche können stoppen
den steten Melodienfluss –
am liebsten würd ich ihn verkloppen,
den Nachbarn, der jetzt bohren muss!

Stillvergnügte Poesie

Stillvergnügte PoesieDer Eindruck hat sich mir verdichtet:
Poeten liegt der gute Ton.
Zwar von Gemüt und Geist belichtet,
verschmähn sie dumpfe Aggression.

Ausnahmen kaum von dieser Regel.
Fast nur Tyrtaios‘ Schlachtgeschrei;
erinnert euch: Spartanerflegel,
frustriert von seinem Haferbrei.

Auch Pindar. Doch die Kampfesweise,
die er besang mit dunkler Glut,
war die des Sports, und Lorbeerpreise
bekränzten Siege ohne Blut.

Villon vielleicht noch von der Sorte,
doch kämpferisch für sich privat:
Ein Bein stets an der Kerkerpforte,
eh’r Fluchtstratege denn Soldat.

Mehr Leute hab ich nicht auf Lager
und kenn doch manchen Lebenslauf.
Gewaltausbeute also mager.
Da sind die Maler besser drauf.

Es findet in der Kunstgeschichte
sich ja so mancher Finsterling,
der dem verdienten Hochgerichte
mit mächtig Dusel nur entging.

Kurzum, die einfühlsamen Musen
bestimmten mich zur Poesie,
kaum dass aus vollem Babybusen
ich fröhlich nach der Zitze schrie.

Die, die zur Staffelei geboren,
sie krähen wohl auf andre Art,
was nur sensible Götterohren,
nicht mal die Mütter je gewahrt.

Doch lassen wir das Spekulieren.
Fakt ist: Ich habe das Talent,
mit pp. Pinsel zu jonglieren,
wohl in der Wiege schon verpennt.

Und hab den Strohhalm gern ergriffen,
den mir Apollo hingestreckt,
mich nach Pierien einzuschiffen,
wo man auch Dichtern zollt Respekt.

Da fand ich keine Stürme wüten,
die trägen Wellen aufzuwühln,
und hübsche Nereiden hüten
Delphine, die sich glücklich fühln.

Das war so recht nach meiner Mütze –
und kaum war ich von Bord an Land,
baut‘ ich als Bleibe mir und Stütze
‘nen wetterfesten Unterstand.

Und mocht so gern da schließlich leben,
dass ich nicht mal zu sagen wüsst,
was ich als Wohnsitz, Haupt- und Neben-,
dem Steuerviz erklären müsst.

Nun hab ein Hüttchen ich hienieden
und bei den Musen ebenso.
In beiden von der Welt geschieden,
werd ich des Friedens doppelt froh.

Kampfstil

KampfstilBewaffnet? – Ja, bis an die Zähne.
Pistolen? – Tintenstift.
Der Feind? – Die Phänomene,
verweigernd sich der Niederschrift.

Ein weißes Blatt starrt mir entgegen.
Ich dränge auf Entjungferung.
Mit wilden Kugelschreiberschlägen
kommt Lust in Schwung.

Halt!, rufe ich der nächsten Zeile,
du bleibst mir aus der Strophe raus!
Ich habe keine Eile,
such mir ‘ne andre aus.

Erneut allons, Attacke!
Der Kuli stürmt aufs Blatt.
Ein Reim! Ein Reim! Au Backe –
das ging ja noch mal glatt.

Erbittert mein Ringen,
sie niederzuzwingen,
die Wörter im Widerstand.

Sie solln mir marschieren
in Reihen zu vieren,
gehorchen! – Der Kommandant.

Doch end ich nicht immer
als strahlender Held:
Statt Wohlklang Gewimmer
auf pierischem Feld.

Dienst du im Dichterheer,
sei Drill verpönt.
Hat je das Militär
die Welt verschönt?

Ermutigung

ErmutigungZu sehn, was ich zurzeit hier treibe,
schaut groß der Mond mich grade an,
ein gelber Fleck in meiner Scheibe,
die ich mal wieder putzen kann.

Er glänzt in seinem reinen Lichte,
ich wälze mich im Erdenstaub.
Gleich morgen, ja, ich mich verpflichte,
den Stall zu säubern mit Verlaub.

Sofern er durch des Glases Trübe
mich überhaupt zu sehn vermag,
dann wird er finden, dass ich übe
wie üblich mich im Lautenschlag.

Es ist ja wieder diese Stunde,
die ich am piër’schen Quell verbring
und mit Dionysos im Bunde
in die Unsterblichkeit mich sing.

Um’s weniger geschraubt zu sagen:
Die Uhr marschiert in Richtung zehn,
und mich beschleicht das Unbehagen,
den Musen auf den Keks zu gehen.

Doch kann man mir nichts dir nichts lassen
von einem Brauch, der lang gepflegt,
um sich ‘nen Maulkorb zu verpassen,
obwohl die Zunge sich noch regt?

Ich diene schließlich schon seit Jahren
dem hoh’n olympischen Geschlecht,
und wär es Frevel, dies Gebaren,
so wär es doch Gewohnheitsrecht.

Der einz’ge Grund, um aufzugeben,
wär offenkund’ger Göttergroll,
das heißt sie ließen niederschweben
den Hermes; Botschaft: Nase voll!

Doch Wunder kommen nicht und Zeichen
mir vom Parnass in diesem Sinn.
Mein schlichter Singsang scheint zu reichen,
weil ohne Konkurrenz ich bin.

Ach, wenn da bloß nicht Nietzsche wäre,
der einst geprüft auch Charons Boot
und mir zerpflückt die Dichterehre,
weil, wie er sagt, die Götter tot.

So muss es unentschieden bleiben,
ob das, was ich hier klampf und harf,
auch durch die trüben Fensterscheiben
raus zum Gourmet für Lyrik darf.

Da wären Kritiker vonnöten,
die von der Sache was verstehn –
doch wer schluckt unbekannte Kröten,
wenn alte ihm im Mund zergehn?

Vom Mond ist auch nichts zu erwarten –
er sieht mich oder sieht mich nicht,
pflanzt Sonnenblumen an im Garten,
die herrlich leuchten: ein Gedicht!

Atelierküche

AtelierkücheIm Kerzenlicht ‘ne Kupferkanne,
ein guter Tropfen sowieso,
und auf dem Herd die Schmurgelpfanne –
voilà, das ist mein Studio!

Man könnte auch von Küche sprechen
(vor allem, wer den Braten roch),
doch Erbsenpaln und Bohnenbrechen
passieren hier nur selten noch.

Was eine Mahlzeit so erfordert,
geht ohne großes Drum und Dran.
Und außerdem: Der Single ordert
beim Pizzaservice nebenan.

Kein Futterplatz in Bausch und Bogen –
auch Klause in Pieriens Flur:
An diesem Ort hat sich vollzogen
ein echter Wandel der Struktur.

Wenn Bauch und Geist an einem Strange
zu friedlichem Behagen ziehn,
dann ist um Verse mir nicht bange,
dass würdig ich den Musen dien.

(Mit Lorbeern will ich und mit Reben
wie Epikur in alter Zeit
die Tage still zu Ende leben
in heiterer Gelassenheit.)

Sehr praktisch auch: Von dieser Warte
kann ich die Straße übersehn,
was mir schon häufiger ersparte,
erst lang auf Themenpirsch zu gehen.

Da liegt ja alles ausgebreitet,
was des Poeten Herz erfreut,
der gern auf einem Rosse reitet,
das vor Beton und Blech nicht scheut.

Zudem kann ich von hier erhaschen
beim Blick auf die Fassadenfront
ein Stückchen Himmel, trüb, verwaschen,
doch weitend meinen Horizont.

(Auch anderen verhalf zum Liede
schon mancher ungewohnte Fleck –
man denk nur an die Verseschmiede
mit ihrem Eisen, Ruß und Dreck!)

Was rede ich denn so verschroben?!
Macht denn der Ort die Poesie?
Im Oberstübchen, tick, da oben,
da muss sie stimmen, die Chemie!

Sonst müssten ja Vereinsnaturen,
die wandernd durch die Lande ziehn,
beglückt vom Zauber unsrer Fluren
so hymnisch sein wie Hölderlin.

Und auch die Wärter, deren Augen
im Bildersaal den Dienst versehn,
sie müssten für die Dichtkunst taugen,
auf Du und Du mit Dante stehn.

Doch Rucksackträger und Livrierte,
trieb’s je sie zum Parnass empor?
Ich weiß nicht, was sie so genierte –
in jedem Fall, es kam nicht vor.

Mag das Ambiente auch beflügeln,
im Herzen kriegen sie Kontur,
die Verse, die nicht zu erklügeln
mit ‘ner Poetik-Rezeptur.

Was will der Dichter damit sagen?
Dass er gesegnet mit Talent?
Um Himmels Willn, wie würd ich’s wagen –
das weiß allein der Rezensent.

Da seht nur (könntet ihr’s denn sehen)
mein Kerzlein, wie es innig glüht:
So sollt ihr mich als Licht verstehen,
bescheiden, aber stets bemüht.

Mit diesem Credo will ich schließen.
Längst füllt die Nacht das Himmelsrund,
und überall die Sterne schießen
wie goldne Pilze aus dem Grund.

P.S.

Ich werf den Pinsel in die Ecke.
Ich führ zum Stall den Pegasus.
Ich dreh mich kantisch in die Decke.
Ich ruhe sanft wie Claudius.