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Glück im Winkel

glueck-im-winkel-raffaelSo lieb ich sie, die späte Stunde,
ich sprach schon hier und da davon:
Man wuchert mit dem Dichterpfunde,
gestärkt von Hippokrenes Bronn.

Ich sag’s mal wen’ger hochgestochen:
Wenn schreibend ich den Tag beschließ,
nag ich an Käse oder Knochen
und etwas Saft dazu genieß.

O dass ich mich nur nicht verhebe
an diesem sperrigen Gedicht!
Natürlich mein ich „Saft der Rebe“ –
das passt nur von der Länge nicht.

Den „Knochen“ nahm ich Reimes wegen,
es wird euch nicht entgangen sein.
Dass ihr euch nicht zerbrecht den Brägen,
ich präzisiere: Hühnerbein.

Verzeiht, ich komm heut nicht zu Potte,
obwohl mein Hirn beharrlich sinnt
und üppig durch die Altbau-Grotte
der rosa Quell der Musen rinnt.

Ich will ja eigentlich euch schildern,
wie sehr ich des Komforts bedarf,
wenn ich in Reimen und in Bildern
die Psalmen meines Herzens harf.

Doch solltet ihr genauso wissen:
Hab oft die Seele mir zerrauft,
ob Zeiln, erpichelt und erbissen,
man nicht zu billig sich erkauft.

Muss Schmerz die Feder nicht diktieren,
getränkt mit frisch vergossnem Blut,
dass sich die Seufzer nicht verlieren
in einer wüsten Verseflut?

Muss Hass nicht aus den Strophen starren,
zum Kampf zu stacheln und zum Ruhm,
den Feind ins Massengrab zu karren,
sein Weib zu frühem Witwentum?

Muss ich, die Silben zu beschweren,
die ich hier streu mit leichter Hand,
in Leidenschaft mich nicht verzehren,
bis ich zu Asche schier verbrannt?

Muss in des Pomponazzi Gleisen
ich meiner Kunst mich opfern gar,
dass, ihre Schönheit zu beweisen,
mit Vorsatz ich zur Hölle fahr?

Ach was, nicht meine Kragenweite!
Nur kein pathetisches Extrem!
Ich lieb den Roten mir zur Seite
und unterm Hintern es bequem.

Ein Leben voller Turbulenzen
im Dunstkreis glitzernder Ideen
war nie mein Wunsch, um zu bekränzen
die Stirn mit läppischen Trophäen.

Und doch sich mir die Haare sträuben,
wenn an dies Monster Mensch ich denk –
und nichts, den Horror zu betäuben
als Lethes bitteres Getränk!