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Maritime Schattenspiele

Maritime Schattenspiele.jpg2Es war am späten Nachmittage,
als ich noch einmal Lust bekam,
zu lösen mich aus dem Verschlage
und ‘nen Spaziergang unternahm.

Noch war die Sonne auf dem Posten
und spendete ihr Licht dem Tag,
doch düstre Wolken trieb ’s nach Osten,
dass jener schon im Dämmer lag.

Und warfen auch gewalt’ge Schatten
in eine zitternd graue Flut,
dass einen Zeus man glaubt‘ begatten
die See in seinem Übermut.

Und wirklich: Auf den dunklen Fluren
der wasserreichen Wüstenei
gebarn sich tausend Dioskuren
wie aus der Leda Schwanen-Ei.

Fantastisch war es anzuschauen,
wie Weiß an Weiß sich da gereiht,
um eine Kette zu erbauen,
die sicher eine Meile weit.

Es sah so aus, als hätten Flocken
von Schnee sich übers Meer gespannt –
doch einzeln und in dicken Brocken,
dass keine Fläche draus entstand.

Beim zweiten Blick: ‘ne Möwenbande,
die ohne Kreischen und Tamtam
paar Flügelschläge weg vom Lande
ganz friedlich auf den Wellen schwamm.

Warum? Das mag Poseidon wissen.
Die Ruhe vor dem nächsten Fang?
Mich hat die Szene hingerissen:
Naturtheater. Lebenslang.

Nach altem Maß

Nach altem MaßWo wär das möglich hoch im Norden?
‘n ganzes Haus – ein Stockwerk bloß?
Mit Oberstübchen nix geworden,
die Bodenständigkeit bleibt groß.

Ein Domizil der kurzen Wege.
Das meiste hat man gleich zur Hand –
wie eine Henne ihr Gelege,
was diese auch stets praktisch fand.

Muss man da drin sein Navi zücken,
um endlich wo am Ziel zu sein?
Nein, einfach nur die Klinke drücken
und mitten in die Stube rein!

Kaum Platz für Omas Kaffeetasse
in der beschränkten Räumlichkeit –
doch immerhin ‘ne Dachterrasse
macht schön sich in der Sonne breit.

Und da meist offensteht die Türe
hinter des Vorhangs weh’ndem Saum,
erweitert sich durch dessen Schnüre
die Bude in den Straßenraum.

Im Sommer kann man draußen sitzen,
des Hauses Enge zu entfliehn,
und mächtig Braun auch noch stibitzen
der Meist’rin Sonne: Melanin.

Noch viele dieser Fischerkaten
stehn malerisch am Strand entlang.
Hier hat Poseidon man zum Paten
und stets im Blick den nächsten Fang.

Die Kais sind gleich hier um die Ecke,
da landet man die Beute an –
die holt ganz frisch sich weg vom Flecke
der Höker mit dem Caravan.

Kein Pflaster für Hoteltouristen –
der Badestrand zu klein und grau.
Paar hundert Meter weiter nisten
sie hoch in ihrem Plattenbau.

Freie Sicht garantiert

Freie Sicht garantiertO diese Fläche, die sich kräuselt,
im Schlag der Welln nie stillesteht,
die, wenn der Wind nur leise säuselt,
zur leichten Gänsehaut sich bläht

Doch hoch sich türmt zu schweren Wogen,
wenn Zorn den Blasebalg ihm schwellt
und fern des Horizontes Bogen
in Zacken auf und nieder fällt –

Was kann ich ihr denn abgewinnen,
der grenzenlos gefurchten Flur,
in der nur salz’ge Fluten rinnen,
aus denen nie ein Hälmchen fuhr?

Dass von den Meeren dieser Erde
ich keinem je so nahe dran
und ich Poseidons wilde Pferde
im Schlaf noch schnauben hören kann!

Das Wasser steht mir bis zur Schwelle,
doch friedlich mir die Füße leckt,
die außerdem für alle Fälle
im ersten Stock sich noch versteckt.

Bin hier in meinem Elemente
und freu mich wie ein Nikolaus –
der alte Küstenfreak in Rente
mit Meer und Sonne achteraus!

Und bloß der Sandstrand noch dazwischen –
die See, die See, so weit man schaut.
Da kann kein Hai im Trüben fischen,
dass er den Ausguck mir verbaut.

Pustekuchen

PustekuchenAm Himmel wieder heut, am blauen…
Den Rest ergänzt nach eigner Wahl!
Hab keine Lust, euch vorzukauen
den ganzen Krempel jedes Mal.

Es sind doch stets die gleichen Dinge,
die man im gleichen Maß verrührt,
damit ein Einheitsbrei gelinge,
der stets den gleichen Kitzel schürt.

Ihr wisst schon: Sonne darf nicht fehlen,
denn die ergibt den Grundgeschmack –
schlürft man sie ein mit vollen Kehlen,
hat man die Sache schon im Sack.

Das Meer mit seinem Salzgehalte
steht dann als Würze schon bereit –
nebst Wogenberg und Wellenfalte
und Möwe, die sich heiser schreit.

Bekränzt ihr schließlich noch mit Blüten
der Optik wegen das Projekt,
kann keine Macht der Welt verhüten,
dass diese Brühe auch noch schmeckt.

Na ja, genau in diesem Stile
hätt selbst ich was zu Blatt gebracht,
doch hatt‘ das Schicksal andre Ziele
sich heute für mich ausgedacht.

Mocht Helios auch den Tag verschönen,
Poseidon, Flora je nach Art –
ich hörte nur Maschinen dröhnen,
Motorradfreaks auf Sonntagsfahrt!

 

Windbeutel

WindbeutelWie sie sich drehen, winden, biegen,
als hätten Krämpfe sie erfasst,
und tot zu ihren Füßen liegen,
zerschmettert liegen Zweig und Ast!

O wie sie in den Wipfeln wütet,
die blinde, ungebremste Kraft –
so wie ein Wolf die Schafe hütet,
so mit verzehrnder Leidenschaft!

Der stärkste Sturm ist von der Leine:
jetzt zeig dich niet- und nagelfest,
stemm Brust dagegen, Bauch und Beine,
dass es dich nicht verwehen lässt!

Im Hafen treibt er hoch zu Wogen
die Flut, die eh zu Berge schwillt,
und schäumend kommen drauf gezogen
Poseidons Rosse, weiß und wild.

Doch droben in der Lüfte Weiten,
wo er sich selbst nur Widerpart,
wie kommt er da beim Wellenreiten
auf seinesgleichen erst in Fahrt!

Kein Halten gibt’s, wo keine Grenzen
dem ungestümen Drang gesteckt
und seine Kunst der Turbulenzen
in ihrer Vielfalt erst perfekt.

Wie er in breiten Strömen stiebt,
in Strudeln gurgelnd da rotiert,
zu Massen sich zusammenschiebt,
koppheister sich im Sturz verliert!

Wie er da heult und pfeift und johlt,
sich aus dem Leib die Seele schreit,
das Letzte aus der Lunge holt
im Taumel der Besessenheit!

O dass ihr bloß, ihr kühnen Flieger,
ihm niemals in die Hände fielt,
es wären Klau’n von einem Tiger,
der Katz und Maus nur mit euch spielt!

Denn ehrlich: In der Stratosphäre
geht’s selten ohne Stürme ab,
und wer da segelt auf dem Meere
sich besser gleich ‘ne Tüte schnapp.

Indessen er zum Glück hienieden
auf manche feste Schranke stößt
und kaum noch stört der Erde Frieden,
die schon in halbem Schlafe döst.

Und träumt: Als windigster Geselle
entpuppte sich der Zwölferschar,
der noch gepustet auf die Schnelle
verröchelnd, ach, der Januar!