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Noblesse

NoblesseWir wollen Grandseigneur ihn nennen,
denn was dem Nachbarland gefällt,
es passt auch diesseits der Ardennen
für einen, der auf Würde hält.

Wenn also wir zunächst beschauen,
was jener auf dem Leibe trägt,
dann können wir den Augen trauen,
wenn alles mehr ins Graue schlägt.

Von feinstem Tuch sind die Gewänder,
die seinem Körper er verehrt,
erzeugt durch jene kargen Länder,
wo man die beste Wolle schert.

Doch nicht in diesen schrei’nden Tönen,
mit denen sich der Pöbel ziert
und wie sie den Geschmack verhöhnen,
der in der Würze sich verliert!

Für einen solchen Distinguierten
geziemt sich nicht die bunte Schau;
er ist wie alle grau Melierten
das Gegenteil von einem Pfau.

Nun ja, so kleine Eitelkeiten
sind unserm Helden auch nicht fremd:
Monokel, um den Blick zu weiten,
ein Kettchen vorm gestärkten Hemd

Krawatte mit beperlter Nadel,
Manschettenknöpfe mit Brillant –
von Kopf bis Fuß gediegner Adel,
womöglich gar der Queen verwandt.

Und so wie die gewebten Waren
die eines bleichen Pierrot,
so sind auch Sprache und Gebaren
gemessen stets und comme il faut.

Er hält sich jederzeit im Zaume,
ein Muster der Besonnenheit;
geht stolz und steif in jedem Raume,
den man ihm als Kulisse leiht.

Wenn er mit jemand Worte wechselt,
dann mit gekonnter Bonhomie –
niveauvoll, aber nicht gedrechselt,
gehoben, doch nicht mit Chichi.

Kurzum, er fühlt sich überlegen
und freut sich seiner Dominanz,
tritt huldvoll aller Welt entgegen
und hält sie tunlichst auf Distanz.

Hat er vielleicht verborgnes Wissen,
gemurmelt aus Orakelmund,
sein feiner Zwirn würd nie zerrissen –
so täten es die Parzen kund?

Dass so er von erhöhter Warte
die eitle Welt belächeln kann,
weil selber er die Eintrittskarte
zum ew’gen Leben schon gewann?

Oder ist schlicht er nur ein Blender,
ein billiger Noblesse-Verschnitt,
‘ne bessre Art Klamottenständer,
der Menschliches nur stellvertritt?

Falls Delphi, hat zu seinem Schaden
missdeutet er die Raunerei:
Zerrissen wird er nicht, der Faden –
man schneidet einfach ihn entzwei!

Und dennoch ist er zu beneiden:
Gelassen steckt er alles weg.
Den Tod selbst würd er still wohl leiden –
doch, Jesses, keinen Soßenfleck!