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Nachtruhe

Kein Laut. Ich würde wirklich wetten,
da draußen schlafen alle schon.
Die Körper wälzen sich in Betten.
Die Nasen schnarchen. Kammerton.

Man träumt sich in den nächsten Morgen
mit Bildern, die von gestern sind,
da einem, so im Pfühl geborgen,
die Zeit nur umso schneller rinnt.

Was wird der neue Tag uns bringen?
Rhetorisch allemal gefragt:
Den alten Trott vor allen Dingen,
der heimlich an der Seele nagt.

Mal Wünsche auch, die sich zerschlagen,
und Hoffnung, die im Sand verläuft.
Egal, man muss sein Päckchen tragen,
selbst wenn noch eins dazu gehäuft.

Zwar kann das Schicksal dich belohnen
mit Aussicht auf das große Los.
Die Chance indes: Eins zu Millionen,
‘ne jämmerliche Quote bloß!

Auf jeden Fall sein Soll erfüllen,
wo immer man in Lohn und Brot –
als Chef mit Privileg zum Brüllen,
als Charge, der Entlassung droht.

Der eine in den Arsch gekniffen,
der andre immer Herr im Haus.
Ist dieses Spiel erst angepfiffen,
kommt man so leicht nicht wieder raus.

Erst vierzig, fünfzig Jahre später
wird aus der Mühle man befreit,
Nur Asse oder Schwarzer Peter?
Dein Rententräger gibt Bescheid.

Jetzt reißt kein Schrilln dich aus dem Schlummer
und treibt dich in die Arbeitspflicht,
doch hast vielleicht du andren Kummer,
denn vorn und hinten reicht es nicht.

Der Glücksmoment ist ausgeblieben,
der heiß ersehnte Hauptgewinn.
Du musst nicht grade Kohldampf schieben,
doch große Sprünge sind nicht drin.

Dann wälzt du dich in deinem Bette
wohl oft noch schlaflos hin und her:
„Ach, wenn ich damals doch nur hätte…
wer weiß, wie‘s dann gelaufen wär!“

Doch wer auf Dornen da gebettet
und wer auf Rosenblüten weich,
darüber wird hier nicht gewettet –
im Schnarchen sind sich alle gleich.

Am Rentenkai

Am RentenkaiDu liegst an Land. Mit fester Bleibe
auf einer Basis, die besteht.
Nichts, dass es dich vom Ufer treibe,
nichts, was dir an den Zampel geht.

Die Heuer wird dir nachgeschmissen.
Du machst nicht einen Finger krumm.
Du bohrst dich in dein Ruhekissen,
bis fast der halbe Morgen rum.

Nur häuslich sind noch deine Pflichten,
die leicht und locker zu erfülln:
Das Rohr mal auf den Teppich richten,
den Kücheneimer mal entmülln.

Dazwischen reichlich Intervalle
für eine schöne Seemanns-Mug.
„Auch Dr. Dralle wurde alle“?
Nein, Kaffee – doch kein Muckefuck.

Jetzt kannst das Leben du genießen
von Szylla und Charybdis frei,
und träge deine Tage fließen
an Klippe und an Kliff vorbei.

Der alte Fahrensmann in Rente.
Mit unbegrenzter Liegezeit.
Im Schapp nun rosten die Patente,
vermottet das Matrosenkleid.

Sein „Rolling home“ ist längst verklungen,
und friedlich dümpelt er am Kai.
Und lauscht doch, wenn aus vollen Lungen
die Möwe schmettert ihren Schrei.

Aufbruchstimmung

AufbruchstimmungAuf einmal wieder Vogelzwitschern,
auf einmal wieder Sonne satt.
Die Hausfrau geht die Bude witschern,
weil Frühling sie im Blute hat.

Wie zeitig steckt nun seine Nase
der Morgen wieder übern Rand
und trägt für eine kurze Phase
der Dämmrung bleiernes Gewand!

Das stete Mehr der helln Momente
ganz deutlich schon ins Auge sticht.
Der Faulpelz selbst, der schon in Rente,
steht auf jetzt legitim bei Licht.

Und viel von ihrem finstren Wesen
verlor natürlich auch die Nacht.
Will man zum Beispiel noch was lesen,
geht’s ohne Lampe schon bis acht.

Indessen wieder Kinder kriegen
die Wiese und der Straßenrand
und lassen sich vom Winde wiegen
die Blümchen wie von Mutterhand.

Das Dachgestühl der Eichen, Linden
von grünen Büscheln übersät,
aus deren Schoß sie bald entbinden
das Blatt in ganzer Majestät.

Man kann es förmlich knistern hören
– ein Zittern hier in Zweig und Ast
und da ein Stöhnen in den Föhren -,
das Leben nach der Winterrast.

Zum Aufbruch drängen die Gefühle
gebieterisch in Wald und Flur;
die kahle, karge, krude, kühle,
sie weicht der lieblichen Natur.

Und auch der Mensch scheint aufzuleben,
als hätte ihn der Kuss gestreift,
den jetzt die Strahlen wieder geben
der Sonne, die zur Glut gereift.

Verklärt die Welt in neuem Lichte,
das wieder wahre Wunder wirkt:
Wie freundlich alles von Gesichte!
Selbst das, was sie an Bösem birgt.