Das wär für mich kein Job gewesen;
mir hätte die Distanz gefehlt
zum Text, den ich da vorgelesen –
Gefühle hätt ich nicht verhehlt.
Da braucht es coole Charaktere,
nicht wen, der gegen Tränen kämpft.
Es macht dem Rundfunksprecher Ehre,
dass seine Emotion er dämpft.
Obwohl das meiste ja zum Heulen,
was er als Nachricht uns serviert,
all diese Kratzer, Wunden, Beulen –
der Mist, der in der Welt passiert.
Der Bürgerkrieg in X geht weiter;
x Tote gestern Nacht allein.
Zum x-ten Mal, dass Eingriff scheiter,
legt Staat XX sein Veto ein.
Die Feuer, die wo ausgebrochen,
hat man noch nicht in’n Griff gekriegt.
Die Wehren kämpfen schon seit Wochen,
doch zehn Prozent sind erst besiegt.
Gesunken wieder eine Fähre
mit tausend Passagiern an Bord.
Die Reederei versprach, sie kläre
die Gründe möglichst rasch vor Ort.
Ein Reisebus mit hundert Kindern
geprallt auf einen Caravan.
Die Rettungsarbeiten behindern
zig Gaffer auf der Autobahn.
Erschüttert hat ein schweres Beben
den Osten der und der Region.
Verluste auch an Menschenleben
bestätigte man amtlich schon.“
Es hat heut der Prozess begonnen
gegen den Herrn Politikus,
der wortgewaltig Fans gewonnen
fürn Großprojekt, das scheitern muss.*
Dies alles fließend vorgetragen
und unveränderlich sonor,
bevorzugt in den schönen Lagen
von Bariton und von Tenor.
Die Katastrophen kommen schnieke,
gebügelt und gepflegt daher –
als wär im Drama der Antike
von Blut und Hass die Bühne leer.
Wie jenem den Respekt verweigern,
der so gefasst bei aller Qual!
Und doch würd dieser sich noch steigern,
entführ ein Seufzer ihm einmal!
*Fiktive Meldung, würde ich aber gern mal hören.