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Fünf vor zwölf

Man nimmt gewöhnlich es gelassen,
wenn allseits man auf Leute stößt,
selbst in den kleinsten Seitengassen,
wo Michel seinen Tag verdöst.

Die Brut hat nämlich sich verbreitet
pandemisch über Land und Meer,
dass nicht mal völlig unbegleitet
beim Bummel man am Südpol wär.

Am schlimmsten sind die Metropolen,
da schwimmt man in der Masse mit,
dass selbst man mit den besten Sohlen
beinahe auf der Stelle tritt.

Die sind so sehr ins Kraut geschossen,
dass schon die Erde übersät
mit diesen steinernen Kolossen
und ihrer kalten Majestät.

Für Städtchen bleibt noch Raum indessen
im Hinterland von Berg und Tal,
die gleichfalls ihren Ruhm bemessen
allein nach der Bevölk’rungszahl.

Was soll am Ende daraus werden?
Vermehrung längst karnickelhaft,
gehn jetzt schon diese Hammelherden
dem Globus über seine Kraft.

Sie grasen auf den fetten Weiden,
die zehn Prozent der Oberschicht,
und werden sich wohl erst bescheiden,
wenn auch das letzte Hälmchen bricht.

Die Kämpfe werden sich vermehren
um den begehrten Unterhalt,
wenn zehn Milliarden erst verzehren,
was schon für fünf als mickrig galt.

Ja, dies vernunftbegabte Wesen,
wäre es wirklich bei Verstand,
es müsste von dem Wahn genesen,
das Höchste sei das Vaterland.

Denn solche lächerlichen Grenzen
nimmt unser Globus gar nicht wahr,
er lässt die gleiche Sonne glänzen
auf Bali und auf Sansibar.

Und lässt die gleichen Stürme wüten
um Apenninen und Parnass,
ohne denselben einzutüten
‘nen stempelfreud‘gen Reisepass.

Ja, streut die meisten Widrigkeiten
wie auch den menschgemachten Dreck
so blindlings über alle Breiten
und jeden Drahtverhau hinweg.

Um solche Übel abzuwehren,
an einem Strang man besser zieht –
mag die Naturgewalt uns lehren
den Schulterschluss in Reih und Glied!

Sind wir nicht alle auf der Reise
in diesem kosmischen Mobil
und streiten uns verrückterweise
doch ständig über unser Ziel?

Und bleiben stur in der Kabine,
als ob kein Weg nach draußen führ
und sie allein dem Zwecke diene,
den Gast zu meiden Tür an Tür.

So eingesperrt in seine Zelle,
die jeder seine Heimat nennt,
sieht man beim andern auf die Schnelle
nur das, was einen von ihm trennt.

Woraus indes dann Hoffnung schöpfen,
wie ruhig in die Zukunft schaun,
wenn wir in schwarzgebrannten Töpfen
nur immer Gift und Galle braun?

Was nützen wind’ge Potentaten,
die allseits wieder Konjunktur,
führn immer weiter ihre Staaten
sie schleichend in die rechte Spur?

Brülln patriotische Parolen,
spieln äußerlich den starken Mann,
um jenen Beifall sich zu holen,
den sie entbehren als Tyrann.

Doch wär jetzt mehr denn je vonnöten
Gemeinsamkeit auf breiter Front,
ging selbst damit der Nimbus flöten,
alleine hätt man‘s auch gekonnt.

Wir müssten uns zusammenraufen,
zu retten, was zu retten ist,
denn diesem rollnden Kugelhaufen
bleibt nur noch eine Galgenfrist.

Doch langsam mit den jungen Pferden!
Die Gockel hörn nicht auf zu krähn.
Ich fürchte, solche Vögel werden
erst mit der Erde untergehn.

Frühlingserwartung

FrühlingserwartungHerrscht Frühling jetzt? Würd ich vermuten –
mit frischen Blüten, um die ‘s summt und schwärmt,
mit Düften, die sich in die Luft verbluten,
dem Abendhauch, der wunderbar noch wärmt.

Gewiss in jenen südlichen Regionen,
die sich der Sonne freuen rund ums Jahr
und die seit je in unsren Träumen wohnen:
Hawaii, Tahiti oder Sansibar.

Doch so weit muss man sie nicht einmal strecken,
die feinen Fühler unsrer Fantasie –
auch in Europas südlich fernen Ecken
beugt schon der Winter, schwächlich eh, sein Knie.

Die Mandelbäumchen sieht man schon sich schmücken,
noch wartet Phyllis ja auf Demophon –
auf Thrakiens , Andalusiens Bergesrücken
die schönste Blüte ihrer Liebe Lohn.

Im Jänner schon verwandeln sie die Erde,
wo üppig man sie Wurzeln fassen ließ,
mit stolzer, weithin sichtbarer Gebärde
in ein ironisch schneeig Paradies.

So nah! Doch schau ich durch die Fensterscheibe,
starrt mich die Straße kalt und leblos an.
Zwei Hemden trug ich heute auf dem Leibe,
zwei Socken heute über Zeh und Spann!

Nicht anders war die Kälte auszuhalten,
die in die Ohren sich so fest verbiss,
dass es sie, schutzlos vor des Winters Walten,
gefühlt beinahe von den Schläfen riss.

Um wie viel wärmer werd ich ihn begrüßen,
zieht auch bei uns er bunt und fröhlich ein –
Millionen Märzenbecher ihm zu Füßen,
in denen’s nur so schäumt von Sonnenschein!