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Ausgelernt

Die heut’gen Schüler: helle Köpfe.
Und kritisch bis zum Gehtnichtmehr.
Man kennt die Vielfalt der Geschöpfe
vom Weddell- bis zum Beringmeer.

Geflügel, Fische oder Säuger,
man ist mit allen gleich vertraut,
Verwandten, durch den Urerzeuger
Natur aus einem Guss gebaut.

Doch auch Geschichte, Fakten, Fakten
von Völkerschaften fern und nah
behält der Dööts in seinen Akten
präzis ab urbe condita.

Pythagoras und seinesgleichen?
Sie haben schnell den Bogen raus
und können bald das Wasser reichen
‘nem Newton, Leibniz oder Gauß.

Genauso mit Naturgesetzen.
Man kennt die Formeln durch die Bank
und weiß die Leistung auch zu schätzen
bis hin zu Einstein oder Planck.

Fremdsprachen schließlich nicht vergessen!
Mit Ablativ und Zirkumflex.
Ein Pensum, überreich bemessen –
sie schaffen’s ohne Fünf und Sechs.

Doch ehrlich, wer sich so viel Wissen
beharrlich in die Birne bläut,
sinkt der nicht in ein Ruhekissen,
das zu verlassen er sich scheut?

I wo! Dem Superhirn da drinnen,
in das man so viel Weisheit stopft,
genügt es nicht, nur nachzusinnen
rein theoretisch und verkopft!

Denn dass die Paukerei fürs Leben
und für die Schule man nicht macht,
das hat man ihm in dieser eben
ja schon lateinisch beigebracht.

So fassen unsre Schülerscharen,
gesagt, getan auch einen  Plan:
Den Karren aus dem Dreck zu fahren,
es ist schon höchste Eisenbahn!

Anstatt zum Büffeln in die Klassen
gehn sie nach draußen demonstriern,
um Dampf mal richtig abzulassen
gegen die Schwätzer, die regiern.

Denn während an gewalt’gen Schäden
die Umwelt leidet mehr und mehr,
hörn sich die Brüder lieber reden,
anstatt zu tun, was nötig wär.

In fortgesetzten Konferenzen
beteuern sie ihr hohes Ziel –
dann lieber handeln, Schule schwänzen,
hier steht die Zukunft auf dem Spiel!

Sich schwammig nicht vertrösten lassen
auf Zeiten, die noch weit entfernt!
Raus auf die Straße, raus in Massen –
sie haben die Lektion gelernt!

Nur leider sind die Adressaten
Herr ihrer selbst nicht voll und ganz:
Politiker – anstatt Magnaten
der Industrie und Hochfinanz!

Seneca lässt grüßen

Wie weiland SenecaBin heute wieder mal nach Haus geschlichen
und unter der Gedanken Last gebeugt,
vom Arbeitsplatz die Nase voll gestrichen,
der von der Emsigkeit des Leerlaufs zeugt.

Wie sollt ich da an Seneca nicht denken,
dem dieser Unsinn schon ins Auge fiel,
dass die „G’schaftlhuber“ sich verrenken,
die „occupati“ ohne Sinn und Ziel!

Verhalten, das Millennien überdauert –
was noch nichts sagt von seiner Qualität,
nur, dass des Menschen Wille gerne mauert,
wenn’s um den Abschuss seiner Schwächen geht.

Dass die Kollegen immer paradieren
wie Pfauen, die ein goldnes Ei gelegt!
Sie gingen notfalls auch auf allen vieren,
wär dies die Weise, wie man „was bewegt“.

„Ich hatte heute so viel Konferenzen,
dass ich, gackgack, nun völlig fertig bin“.
„Ach ja, auch ich möcht mal ein Meeting schwänzen
und krieg’s, gackgack, genauso wenig hin“.

Der alte Ochsenfrosch! Ich möchte schreien
und halte vornehm lieber doch den Rand.
Sie lieben ihre Spiegelfechtereien
und klatschen jeden Einwurf an die Wand.

Warum sich alle diesen Anschein geben
von Arbeitswut und Unentbehrlichkeit?
Sein wertes Image will man dadurch heben,
dass neue Pöstchen einem es erstreit.

Die Lebenslosung heißt: Karriere machen:
“Du kriegst schön Knete, und du stellst was vor“.
Das treibt sie um im Schlafen und im Wachen
wie seine Eifersucht Venedigs Mohr.

Ja, flitzt nur bis an euer sel’ges Ende
und balgt euch um dies falsch gemünzte Glück –
legt ihr demnächst nicht schon in Charons Hände
der letzten Reise schnödes Kupferstück?

Wär schön, mit Logik ihnen beizukommen –
doch gibt es eine Logik, die verfängt
bei einem eingefleischten Wirtschaftsfrommen,
der seinen Steiß um goldne Kälber schwenkt?

Am besten wär’s, das Spielchen mitzuspielen
nach Regeln, die sie selber aufgestellt –
als zielbewusster Streber unter vielen,
der mächtig was auf seine Dummheit hält!

Doch die Natur, sie wollt mich unterscheiden,
hat einen eignen Kopf mir aufgesetzt.
Zur Strafe muss ich morgen wieder leiden –
ach, vorm Büro graut‘s, glaubt es mir, schon jetzt.

Ich will mein Gläschen noch zu Ende bringen,
dann hole Morpheus mich, des Somnus Sohn.
Und mögen Englein mir im Schlafe singen –
aus vollem Herzen und für Gotteslohn!

Kürze des Lebens

Kürze des Lebens„Ich werd’s im Leben nicht vergessen“ –
ein Spruch, den man sehr häufig hört
und der, an dessen Frist gemessen,
was Kurzes eher doch bschwört.

In allem Treiben, allem Reden
klingt unbewusst Gewissheit mit,
dass abgesehn von Unfallschäden
für die Unsterblichkeit man fit.

Das lügt der Mensch sich in die Tasche,
weil’s schmeichelt seinem eitlen Geist
und nach der Kirche alter Masche
nicht Wahrheit, aber Trost verheißt.

Wie sollte man es besser sagen?
„…hat mich erschüttert und erschreckt
und werd so lange Trauer tragen,
bis selbst mich einst die Erde deckt“?

Das wäre ehrlicher gesprochen,
weil’s an der Tatsache nicht dreht,
dass nur aus Fleisch und Haut und Knochen,
nicht zu recyceln, man besteht.

Wie Würmer wir im Staube wohnen,
die Partner uns im Totentanz –
und schmücken uns mit goldnen Kronen
zum lächerlichsten Mummenschanz.

Am poppigsten gehn die Prälaten,
voran der Papst als Friedensfürst,
Moral gebietend allen Staaten –
im Samt gestopfte arme Würst.

Danach die Herrn Hochwohlgeboren
und Damenschaft von blauem Blut,
die sich in unsre Zeit verloren
samt Hochzeitspomp und Rittergut.

Und schließlich noch die Reichsgebieter
aus Politik und Kapital,
die in Karossen fahrn, 3.Liter,
und Fummel tragen erster Wahl.

Und mit welch Wichtigtuer-Mienen
stolziern die andern durch die Welt –
als ob sie völlig sicher schienen,
dass sie mit ihnen steht und fällt!

Das kleinste Licht im Unternehmen,
die größte Null im ganzen Land,
statt ihres Status sich zu schämen,
gerieren sich als Geistgigant.

So paradiert in Wichs und Würde
der Mensch durch seine Lebensspur,
dem Schafe gleich in seiner Hürde,
nichts ahnend von der großen Schur.

Wenn mehr wir auf das Ende sähen,
sähn wir nicht auch, wie hirnverbrannt
nach Reichtum, Macht und Ruhm wir spähen,
die uns zerrinnen doch wie Sand?

Gewiss: Dem Augenblicke leben –
doch voller Demut vor der Frist.
Wie viel kann uns ein Blümchen geben
an Schönheit, die unsterblich ist!