Da drüben dieser Fensterreihe
im – eins, zwei, drei – im vierten Stock
ich Nacht für Nacht mein Auge leihe,
dem einz’gen Licht im Häuserblock.
Es glost so gelb durch die Gardinen,
als ob aus Pergament sie wärn,
von Kerzen tausendfach beschienen,
die regungslos ihr Wachs verzehrn.
Und haucht noch einen bleichen Schimmer
aufs Mauerwerk, das es umschmiegt,
da ferne der erhellten Zimmer
im Finstern die Fassade liegt.
Im Niemandslande zwischen Sternen
(so einsam scheint mir dieses Licht)
und grell erglüh’nden Stadtlaternen
es trübe aus dem Dunkel sticht.
Im Gegensatz indes zu diesen,
mit denen es sich nicht verträgt,
sich hinter Rollos und Markisen
doch immer auch das Leben regt.
In einem dieser Fensterrahmen
gewahr ich manchmal, vorgebeugt,
ein Schattenwesen ohne Namen,
das träge in den Abend äugt.
Am Umriss kann ich wohl ersehen,
es handelt sich um eine Frau,
die überfliegt vorm Schlafengehen
das Viertel in der Vogelschau.
Vielleicht ist’s einer Haremsdame
total verlarvtes Konterfei,
verlassend kurz die polygame,
verschlossne Festung des Serail
Dass einmal tüchtig Luft sie schnappe,
die frei ihr um die Nase weht,
und willenlos nicht als Attrappe
dem Pascha zur Verfügung steht.
So lass die Fantasie ich schweifen,
auch wenn sie tausend Böcke schießt.
Könn’n Silben zu Gedichten reifen,
die man mit Fakten nur begießt?
Was wissen wir schon von den andern,
den Menschen, die uns vis-à-vis?
Bisweilen lässt man Blicke wandern.
Man sieht sich. Aber sieht sich nie.