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Schweinekälte

SchweinekälteSibirien, sag ich nur, Sibirien!
Das nenn ich frieren Stein und Bein!
Wenn’s so was gäb wie Frostdelirien,
sie müssten glänzend jetzt gedeihn!

Ganz tief bis in den Keller runter
gefallen sind die Grade schon
und treiben’s Tag für Tag noch bunter
mit ihrer eis’gen Depression.

Im Minus stehen schon die Tage –
doch erst die Nächte: grauenhaft!
Ägyptisch, diese Kälteplage,
von bitterböser Götterkraft!

Die Hände rissig, voller Schrunden,
auch wenn man sie mit Krem bestreicht,
und grade diese winz’gen Wunden,
sie brennen wirklich furchbar leicht.

Zum Kolben aufgebläht die Nase,
die rot im schneid’gen Wind erglüht,
aus deren Löcher schmaler Vase
ein dauerhafter Tropfen blüht.

Schnell abgestorben sind die Ohren,
lässt man sie gänzlich ungeschützt,
und gehn womöglich noch verloren,
falls man sie zünftig nicht bemützt.

Und wie erst unsre Zehen leiden,
stets zu erfrieren in Gefahr!
Da hilft es nur, sie einzukleiden
gleich doppelt mit ‘nem Sockenpaar.

Zu Hause selbst, wo fleiß’ges Feuern
verhindert, dass die Kälte klirrt,
würd man nicht unbedingt beteuern,
dass richtig kuschelwarm es wird.

Am besten schnapp ich mir ‘ne Decke,
setze den Fuß nicht vor die Tür
und wart in meiner Rentnerecke
auf bessre Zeiten. Doch wofür?

 

Globalreform

GlobalreformDies offen mal zu sagen,
liegt längst mir auf dem Magen:
Die Welt macht keinen froh.
Man muss sie neu ersinnen,
sie könnte nur gewinnen.
Vielleicht, was meint ihr, so?

Die Vögel üben Rückwärtsfliegen,
wie Quader sehn die Wolken aus,
Pomade glänzt im Bart der Ziegen,
in Honig schwelgt die Kirchenmaus.

Die Türme stehen auf der Spitze,
die Wege führn nach nirgendwo,
Sibirien leidet unter Hitze,
mit Grundeis geht dafür der Po.

Tyrannen reuen ihre Sünden,
der Finsterling, er lacht sich schlapp,
urbi et orbi lässt verkünden
der Papst, er fiel vom Glauben ab.

Die Atheisten und die Frommen
begründen einen Dachverein,
die Polizei, zu Grips gekommen,
drischt auf Atomapostel ein.

Die gern am Gartenzaun sich schmähen:
„Wenn Sie nicht endlich schleunigst, dann …“,
sie gehen freudig Rasen mähen
beim lieben Krause nebenan.

Die Autos tragen alle Fender
und kratzen sich nicht mehr am Lack.
Dem allerletzten Kinderschänder
entzog man seinen Priesterfrack.

Es fallen bunte Regentropfen,
nach Milch und Moschus riecht der Wind.
Verfassungsschützer höflich klopfen.
Tomaten aromatisch sind.

Man kann gefahrlos alles essen
vom Hackfleisch bis zum Babybrei,
Erzeuger, sonst profitbesessen,
verkosten jedes Hühnerei.

Sogar den Bänkern kann man trauen,
sie raten ohne Hintersinn,
und Löwen, die gern B(l)öcke bauen,
verspenden ihren Reingewinn.

Und dann die Fußballplatz-Rabauken,
die immer auf Randale aus:
Sie gehen jetzt Benehmen pauken
und lassen keine Sau mehr raus.

Ihr Lieblingslied die Tauben zwitschern,
und kehlig gurrt die Nachtigall.
Die Nonnen ihre Flügel witschern
und segeln sacht zum Tuntenball.

Die UNO powert volle Kanne,
schützt nicht allein Borobodur,
auch Castrop streiten nun und Wanne
um Einzug in die Weltkultur.

Und die Geschütze produzieren,
an Tod verdienen und an Leid,
den Status quo damit verlieren
der bürgerlichen Ehrbarkeit.

Den Promis, die Millionen kriegen
für leichte Unterhaltungskost,
die goldnen Quellen nun versiegen:
Bezahlung wie bei Bahn und Post!

Pantoffeln sind und Zipfelmütze
des Feldherrn neue Uniform.
Der Jetset schwört auf Hafergrütze
in seiner Traumstadt Benidorm.

Die Menschen tragen Engelsmienen
und haben Frieden sich geschworn.
Vom Stachel trennten sich die Bienen.
Wer jetzt noch siegt, hat schon verlorn.

O Eiche, Erle, Pappel,
die Erde kriegt ‘nen Rappel,
stellt alles auf den Kopf.
Von edlem Geist befeuert
wird alles runderneuert –
drauf wett ich einen Knopf.