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Hausbesuch

HausbesuchZwei Damen, elegant gewandet,
gepflegtes Äuß’res, seriös,
ein Typ, wie er nur selten landet
am Ufer dieses Schlicht-Milieus

Erwiesen heute mir die Ehre,
mich aufzusuchen an der Tür,
dass ihrer edlen Gotteslehre
Gehör ich schenke nach Gebühr.

Ob sie wohl dachten, sünd’ge Seelen
gäb’s grad zu retten im Quartier,
wo Loddels ihre Muckis stählen
für ihren Dienst als Kavalier?

Doch da ich pfleg nicht zu erstehen,
was ein Vertreter mir beschreit,
wollt auch die Ware ich verschmähen
der beiden Damen: Ewigkeit.

Sie aber, fest in ihrem Glauben,
der ihrer Zunge Flügel lieh,
begöschten fleißig diesen Tauben
für Gottes Wort am Sinai.

Sie wollten ernsthaft mich bekehren
zum Sinn des Lebens: Religion.
Doch muss ich solchen denn entbehren?
Was wussten sie von mir denn schon?

Am Ende Patt. Ein Unentschieden,
wie man’s in Glaubensfragen kennt.
Doch Sieg für alle durch den Frieden,
in dem man höflich sich getrennt.

Jacke wie Hose

Jacke wie HoseWenn’s stimmt, dass Kleider Leute machen,
dann ist die Folgerung nicht weit,
dass die, die schneidern solche Sachen,
Personen von Bedeutsamkeit.

Und mehr als denen, die nur schneidern,
muss jenen man Bewundrung weihn,
die diesen hochsozialen Kleidern
gestaltend Form und Pfiff verleihn.

Die sind gerade nicht bescheiden
bezüglich ihrer Profession,
indem sie in das Wort sie kleiden
vom „Schöpfer“: Gottes Kollektion!

Und göttergleich sie auch regieren
wie Hirten übers liebe Vieh,
wenn Jahr für Jahr sie uns diktieren
Gesetze wie vom Sinai.

Wohl oder übel heißt es kuschen,
wenn so eins wieder mal ergeht
und uns vom Hut bis zu den Puschen
zum Paradigmenwechsel rät.

Es wär ja auch kaum auszudenken
(ist nicht der Ochse auch ein Beau?),
die schöne Chance zu verschenken,
sich zu erneuern comme il faut!

Ja, die besagten Modezaren
sind auch in Menschenkunde fit
und machen mit den Fummelwaren
entsprechend ihren guten Schnitt.

Was sie auch gerne demonstrieren,
indem sie selbst in bestem Tuch
wie auf dem Laufsteg paradieren
so wie Hansnarr im Märchenbuch.

Gestylt bis in die Fingerkuppen,
von allen Düften Punts durchtränkt,
sind sie so echt wie jene Puppen,
auf die man die Entwürfe hängt.

Die haben wahrlich nichts begriffen,
die freun wie Kinder sich an Tand
und fühln sich in den Arsch gekniffen,
nennt „Kreation“ man schlicht „Gewand“.

Und weil sie die Klamotten schustern,
für eine lumpige Saison,
ham sie die Stirn, sich aufzuplustern
wie’n Gigolo im Tanzsalon.

Doch kann der Finger unten bleiben,
zu mahnen sie an Ziel und Zeit:
Entlarvt es sich nicht selbst, ihr Treiben,
im Doppelsinn der Eitelkeit?