Die du schon lange meinem Lied gewogen,
was immer auch an Weisheit es enthielt –
hat nicht der Wunsch dich, Les’rin, oft betrogen,
dass auch die Liebe eine Rolle spielt?
Die Zeilen, die dein Auge abgeschritten,
sie müssten schon nach Kilometern zähln –
und fanden Herzen nicht, die Sehnsucht litten,
und keine Lippen, die sich Küsse stehln?
Gern will ich dieses Manko eingestehen:
Davon bracht ich nur wenig zu Papier.
Du lächelst Nachsicht? Nein, nicht aus Versehen.
Aus gutem Grunde ja verkniff ich’s mir.
Denn wenn ich dies und das in Verse kleide,
damit es glänz in lyrischem Gewand,
ich die Gefahr nach Möglichkeit doch meide,
dass es zur Wahrheit wird aus zweiter Hand.
Wie könnten ihre Schläge glaubhaft klingen,
wenn nicht die Zunge weiß, wovon sie spricht?
Will sie denn irgendetwas „rüberbringen“,
dann fehle an Erfahrung es ihr nicht!
Doch habe lange ich nichts mehr empfunden,
was ‘ne Notiz in Amors Chronik wert.
Geschlossen sind die alten Liebeswunden,
und auch das Blut vergaß wohl, wie es gärt.
Der Alterstrampelpfad zum Hagestolze:
Verlassen plötzlich auf der Lebensbahn,
weil spröder man und kantiger von Holze,
so wie es Charon braucht für seinen Kahn.
Trotzdem kann meine Tage ich genießen.
Und abends mach ich mir darauf ‘nen Vers.
So mögen sie denn ruhig weiterfließen –
es sei denn, einz’ge Les‘rin, wie wär’s?