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Meeresfreuden

Zum Strand muss man nicht lange laufen,
‘ne schmale Straße trennt ihn nur
von diesem kleinen Hüttenhaufen,
aus dem man einst das Meer befuhr.

Doch da Berufe sich vererben,
vielleicht wohnt ja da auch noch heut,
sein Brot mit Fischen zu erwerben,
ein Seebär, der die Flut nicht scheut.

Zumindest hätt er vor der Nase
sein grenzenloses Arbeitsfeld
und wüsst schon in der Frühstücksphase,
wie’s Neptun mit dem Wetter hält.

Denn falls die Welln sich überschlagen
wie vom Klabautermann gehetzt,
was soll er sich nach draußen wagen,
fehlt ihm der Fang zu guter Letzt?

Doch mag’s auch niemanden mehr geben,
der seinen Unterhalt erfischt,
wird doch den Leuten, die hier leben,
ein Augenschmaus stets aufgetischt.

Zieh nur den Vorhang leicht beiseite,
hock träge vor der Häuserfront,
es zeigt das Meer in ganzer Breite
und tief sich bis zum Horizont!

Und nicht nur als bewegte Masse,
die, blubbernd oder bleiern still,
mit Boot man, Dampfer und Barkasse
als Wasserweg befahren will!

Mal huschen ihm geformte Schatten
wie Flecken übers graue Fell,
die erst im Wolkenflug ermatten,
gibt sich der Himmel wieder hell.

Mal schüttet ihm aus voller Kanne
die Sonne Funken auf den Hals,
dass diese prall gefüllte Wanne
so glitzert wie nur Badesalz.

Dann wieder jagen schwarze, schwere
Gewitterwolken drüber weg
und schleudern ihre Feuerspeere
frenetisch ohne Sinn und Zweck.

Ob sie nur Lärm erregen wollen?
Sie rühren ja den Donner auf,
wie er mit unverhohlnem Grollen
stets folgt der Blitze Zackenlauf.

Schon tags darauf: Ein Tuch gezogen,
das hoch den Himmel überspannt,
sich spiegelnd jetzt in glatten Wogen,
dern Farbe dem Azur verwandt.

Auch sind ja jederzeit zur Stelle
die kleinen Trawler hier und da,
bei Nacht so gut wie Tageshelle,
der Heimatküste immer nah.

Die Rückfahrt dann aus allen Winden –
dies Bild hat ‘nen besondren Charme:
Wie um den Einlauf sie sich schinden,
beflügelt von ‘nem Möwenschwarm!

Und kaum, dass sie die Anker lichten,
den nächsten Hafen schon im Blick,
sind auf der Kimm sie auch zu sichten,
die Kreuzfahrtschiffe, superschick.

Man kann auch einfach angeln gehen
und warten, bis ‘n Brummer beißt,
sofern nicht dieses ew’ge Stehen
ermüdet selbst den Duldergeist.

Und, liebe Nordlandfraun und -männer,
gewickelt jetzt ins Wollgewand,
heut sah ich sogar, Ende Jänner,
im Badeanzug wen am Strand!

Es warn Bewohner dieser Katen,
wie wenig später ich erfuhr,
als ihrem Heim sie wieder nahten,
bedeckt von einem Handtuch nur.

Bei dieser Flut verschiedner Freuden
gleich hier vor meiner eignen Tür
wollt ich kein bisschen Zeit vergeuden,
bis selbst ich ihren Kitzel spür.

Und stürzte so mit flinken Füßen,
die erst am Ufer haltgemacht,
um dort das Wunder zu begrüßen
‘ner mondbeglänzten Meeresnacht.

Wie groß war aber mein Erstaunen,
als dies und jenes ich nicht fand –
nur, immer diese Wetterlaunen!,
‘ne watteweiße Nebelwand.

Doch die war auch nicht zu verachten,
gab Friedrich’sche Romantik her –
wie „Männer, die den Mond betrachten“
so „Wandrer überm Nebelmeer“.

Traumreise

Tief eingetaucht in meine Kissen,
der Federn Fülle nicht zu missen
und nicht der Decke warme Haut,
hab ich mich Träumen überlassen,
die alles in ihr Auge fassen,
was das Gedächtnis überschaut.

Da stand ich oben auf der Brücke
und starrte in die Nacht hinaus,
in diese große grelle Lücke
aus Blitzlicht und aus Sturmgebraus.

Die See, sie schäumte und sie kochte
wie völlig außer Rand und Band.
Ich hörte, wie das Herz mir pochte.
„Voraus“, schrie einer, „Helgoland!“

Die Muck hielt krampfhaft ich umklammert,
schlang ständig Kaffee in mich rein.
Der Bestmann nur, der hat gejammert:
„Gott, diesmal haut’s uns kurz und klein!“.

Mit stetem Stöhnen und mit Stampfen
schob die Maschine uns voran –
jetzt nur nicht stoppen: weiterdampfen,
sonst holt uns der Klabautermann!

Und ständig diese Schrecksekunden,
wenn jäh im Gischt der Bug verschwand
und nach gefühlten ew’gen Stunden
sich wieder aus den Wellen wand.

Es dachte keiner jetzt an Schlafen –
nur unser Alter, Jakobeit.
Der fand noch einen Hafen
in seiner langen Fahrenszeit.

An Backbord, wen’ge Meilen weiter,
rang noch ein Trawler mit der Flut,
im Zwielicht wie ein Geisterreiter,
ein Schatten ohne Fleisch und Blut.

Dann jäh ein Schlag. Und Stille wieder –
als wär der Horrortrip vorbei
und ruhten unsre steifen Glieder
lebendig oder tot am Kai.

Doch lag im Bett ich warm geborgen,
von einer Tür geweckt, die schlug
und mich befreite von den Sorgen
in diesem wahren Höllenspuk.

Als weiter zu mir ich gekommen,
hab ich als Erstes, noch verschwommen,
den blauen Ozean gewahrt.
Hat er den Traum mir eingegeben,
um vorteilhaft sich abzuheben
von meiner ersten Meeresfahrt?

Hoher Besuch

Hoher BesuchSo wie `nen Hecht im Karpfenteiche,
`nen Hai in einer Tümmlerschar,
sah man sofort, dass hier das Gleiche
nicht friedlich nur versammelt war.

Da draußen in der offnen Weite,
`nen Fingerbreit vorm Horizont,
dass man ums Futter sich nicht streite,
die Trawler in sehr breiter Front.

Doch winzig klein wie Wasserflöhe,
die schwimmen auf der dünnen Haut
und fortgeweht von jeder Böe,
wie sie die Oberfläche raut.

Davor dann, doch der Küste näher,
von deutlich größerer Statur,
ein Einzelschiff, robuster, zäher,
das völlig ohne Netze fuhr.

Marine! schoss mir der Gedanke
beim ersten Anblick in den Sinn –
dies Grau, dies düstere und kranke,
weist auf die Staatsgewalt ja hin.

Und während sich die andern Kähne
allmählich lösten aus der Ruh
und liefen mit `ner Flattermähne
von Möwen auf das Ufer zu,

Lag unsre brave Küstenwache
da wie `ne Tonne auf dem Fleck,
als ob sie `ne Kontrolle mache
auf faule Flundern im Gepäck.

Doch unbehelligt von den Rohren,
in die sie plötzlich da gestarrt,
haben die Fischer ungeschoren
ihrn Fang wie stets an Land gekarrt.

Und die mir für gefährlich galten
in ihrer kugelsichren Wehr,
vielleicht dass sie nur Ausschau halten
und Menschen fischen aus dem Meer!