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Unsere Helden

unsere-helden-alfred-kubinSoll Dichtung sich nicht höh’re Ziele stecken,
als es die Trommel tut im Schlachtgedröhn?
Begeisternd nicht vielmehr Gefühle wecken
für das, was gut im Leben, wahr und schön?

Doch wen hat man nicht alles schon besungen?
Ich werde wütend, wenn ich nur dran denk.
Den alten Hildebrand, die Nibelungen,
die Hunnen Attilas und Timur Lenk!

Die Wüteriche, denen Haun und Stechen
als ihres Daseins Quintessenz erschien
und die im Kreislauf von Gewalt und Rächen
dem Irrsinn Kontinuität verliehn!

Die Kaiser und die Kön’ge hierzulande
hat man mit manchem Hudellied geehrt,
die Heinrichs, Ottos und die ganze Bande,
die sich von Völkerraub und -mord genährt.

Die gierig immer nur auf Gold versessen,
mit Land geschachert und mit Menschenblut,
an Prunk und Purpur hat man sie gemessen –
als wäre Luxus auch moralisch gut!

Von manchem Schlagetot der schlimmsten Sorte,
der jetzt womöglich in der Hölle brät,
wähnt noch das Volk, dass er am Sterbeorte
als großer Heiland einmal aufersteht!

Und dann die Feldherrn und die Generäle!
Wie viel Gesänge für ihr Handwerk Krieg!
Tyrtaios schonte schon nicht seine Kehle
und brüllte die Spartaner-Trupps zum Sieg.

Wohlan, es gilt das Vaterland zu retten!
Für unsern König: Frisch das Schwert zur Hand! –
Das Volk verreckt, die Mächtigen verfetten.
Der Witwe wird ein Orden zugesandt.

Geh in dich, Les’rin, grüble und begreife,
dass immer noch verherrlicht wird Gewalt
in dieser Leier einer Endlosschleife,
die seit der Steinzeit ohne Hirn und Halt.

Dass Schauer heil’gen Eifers den durchfluten,
der irgendein geweihtes Wimpel schwenkt
und der Millionen, die sich drum verbluten,
in seinen schlimmsten Träumen nicht gedenkt.

Des Krieges massenmörderisches Walten,
so mit dem Glanz des „Heldentums“ verquickt,
kann immer noch sie bei der Stange halten,
die Hammel, die man wo aufs Schlachtfeld schickt.

Doch kann‘s nicht Größe ohne Güte geben.
Der Edelmut verweigert sich dem Streit.
Symbole? Kein Ersatz für echtes Leben.
Heroisch, sag ich, ist nur Menschlichkeit!

Stillvergnügte Poesie

Stillvergnügte PoesieDer Eindruck hat sich mir verdichtet:
Poeten liegt der gute Ton.
Zwar von Gemüt und Geist belichtet,
verschmähn sie dumpfe Aggression.

Ausnahmen kaum von dieser Regel.
Fast nur Tyrtaios‘ Schlachtgeschrei;
erinnert euch: Spartanerflegel,
frustriert von seinem Haferbrei.

Auch Pindar. Doch die Kampfesweise,
die er besang mit dunkler Glut,
war die des Sports, und Lorbeerpreise
bekränzten Siege ohne Blut.

Villon vielleicht noch von der Sorte,
doch kämpferisch für sich privat:
Ein Bein stets an der Kerkerpforte,
eh’r Fluchtstratege denn Soldat.

Mehr Leute hab ich nicht auf Lager
und kenn doch manchen Lebenslauf.
Gewaltausbeute also mager.
Da sind die Maler besser drauf.

Es findet in der Kunstgeschichte
sich ja so mancher Finsterling,
der dem verdienten Hochgerichte
mit mächtig Dusel nur entging.

Kurzum, die einfühlsamen Musen
bestimmten mich zur Poesie,
kaum dass aus vollem Babybusen
ich fröhlich nach der Zitze schrie.

Die, die zur Staffelei geboren,
sie krähen wohl auf andre Art,
was nur sensible Götterohren,
nicht mal die Mütter je gewahrt.

Doch lassen wir das Spekulieren.
Fakt ist: Ich habe das Talent,
mit pp. Pinsel zu jonglieren,
wohl in der Wiege schon verpennt.

Und hab den Strohhalm gern ergriffen,
den mir Apollo hingestreckt,
mich nach Pierien einzuschiffen,
wo man auch Dichtern zollt Respekt.

Da fand ich keine Stürme wüten,
die trägen Wellen aufzuwühln,
und hübsche Nereiden hüten
Delphine, die sich glücklich fühln.

Das war so recht nach meiner Mütze –
und kaum war ich von Bord an Land,
baut‘ ich als Bleibe mir und Stütze
‘nen wetterfesten Unterstand.

Und mocht so gern da schließlich leben,
dass ich nicht mal zu sagen wüsst,
was ich als Wohnsitz, Haupt- und Neben-,
dem Steuerviz erklären müsst.

Nun hab ein Hüttchen ich hienieden
und bei den Musen ebenso.
In beiden von der Welt geschieden,
werd ich des Friedens doppelt froh.