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Auf den Mai

Sein buntes, wechselvolles Leben,
das hatte der April nun satt
und ging, den Stab zu übergeben
dem Mai auf dem Kalenderblatt.

Der aber startete die Reise,
da Übereilung ihm nicht lag,
auf seine sonnig-heitre Weise
mit einem stillen Feiertag.

Inzwischen hat er sich erhoben
von seiner weichen Bärenhaut
und machte sich schon mit dem Groben
des Alltags etwas mehr vertraut.

Vor allem muss er sich drum kümmern,
dass die Natur sich neu belebt
und aus den Herbst- und Wintertrümmern
zu alter Größe sich erhebt.

Die Bäume brauchen wieder Blätter
für ihr geschorenes Geäst –
er schenke ihnen grad das Wetter,
das Knospen aus der Rinde presst.

Insekten, die auf Nektar stehen
und bei den Blüten in der Pflicht,
die lass er ihre Flügel blähen
zum Jungfernflug ins Sonnenlicht.

Die Blumen aber, die erst sprießen
vereinzelt aus dem zähen Grund,
er lass ins Kraut sie üppig schießen
bis hin zur Wiese kunterbunt.

Da hat er sich aufs Kreuz geladen
‘ne Arbeit à la Herkules,
die sonst erforderte Dekaden
an Muskelspiel mit Schweiß und Stress.

Die ist ihm aber zuzutrauen.
Erfahrung hat er ja genug.
Er streifte schon durch Feld und Auen,
als unser Ahn noch Felle trug.

Doch völlig bis zum Monatsende
krieg ich den Wandel gar nicht mit –
zumindest nicht auf dem Gelände,
das sich der Maure einst erstritt.

Der Sommerhitze zu entgehen,
die gleichfalls auf den Weg er bringt,
lass alles liegen ich und stehen
und folg dem Vogelzug-Instinkt.

Der kann natürlich irreleiten,
wenn auch der Norden schwitzt und stöhnt,
doch meist kommt’s mit den Jahreszeiten,
wie man seit ewig dran gewöhnt.

Den Mai in seinen letzten Stunden
nehm ich halt dort dann in die Pflicht –
und schau, ob in den Kranz gebunden
er pünktlich auch Vergissmeinnicht.