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Herr H., Akribiker

Wer als Vermessungskunst-Eleve
in den Betrieb sich je verliert,
dem liest drei Jahre lang das Breve
Kollege H., der drin versiert.

Und reicht als seiner Lehre Leiter
und Beicht’ger für Verständnisnot
ihm Stück für Stück sein Wissen weiter,
bis ihm die Feuerprobe droht.

Dabei ist er in besten Händen.
Denn H., der gern das Raubein spielt,
würd seinen „Theo“ eh’r verpfänden,
als dass er Hilfe vorenthielt.

Darunter muss die Kunst nicht leiden.
Die liebt er, wenn sie punktgenau,
Herrn Millimeter noch zu scheiden
von seiner Millimeterfrau.

Dagegen ist ja nichts zu sagen,
verbirgt sich in der Winzigkeit
die Kraft doch, Brücken selbst zu tragen
und Babeltürme unsrer Zeit!

Doch leider mit der gleichen Liebe
fürn ähnlichen Exaktheitsgrad
lustwandelt er auch im Getriebe
der Menschheit amtlich und privat.

Es geht darum, ‘ne Mail zu schicken?
Er feilt so lange am Detail,
dass, bis er wagt, sie abzunicken,
ein halber Monat schon vorbei.

Dann kriegst du endlich in ‘ner Sache,
die höchstens fürn paar Zeilen reicht,
den Weisheitsspruch des Freaks vom Fache,
der fast ‘ner Doktorarbeit gleicht.

Und musst du selbst was übermitteln,
legt er die große Elle an,
um jedes Wörtchen zu bekritteln,
das man auch anders sagen kann.

Am Inhalt würde es nichts ändern,
und hat nicht jeder seinen Stil?
Doch scheint’s, die Angst vor weißen Rändern
führt magisch ihm den roten Kiel.

Die Fahne, die vorweg ihm flattert
als seiner Streitbarkeit Panier,
ist die des Druckers, die nicht knattert
und so geduldig wie Papier.

Sollt ich erraten, wo die Lehre
er selber einmal absolviert,
ich gäb Herrn Beckmesser die Ehre,
der selbst den Punkt noch präzisiert.

Doch führt er Böses nicht im Schilde
trotz seines herrschaftlichen Lauts –
er bleibt mir jederzeit der milde
und komisch angehauchte Kauz.

Fürn Wunder kann ich das nicht halten,
selbst da nicht, wo man Erbsen zählt –
die Ämter wimmeln von Gestalten,
die sichtlich den Beruf verfehlt.