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Carpe diem

Carpe diemEin Tag, die schönste Gottesgabe,
indes nicht ohne Bitterkeit.
Am Morgen stolz empfangne Habe,
Gelump zur Abendzeit.

In aller Herrgottsfrüh geboren,
wirkt frisch er und voll Tatendrang.
Doch mittags geht sein Schwung verloren,
verpufft zum Abgesang.

Bald liegt er in den letzten Zügen,
Punkt zwölf dann Aus und Exitus.
Bewein ihn. Doch du musst dich fügen.
Die Zeit bleibt stets im Fluss.

Auf dieser Fahrt der Nacht entgegen,
auf der man nie sein Ziel verfehlt,
wen hätte, Hand an sich zu legen,
nicht schon der Wunsch beseelt?

Doch einen solchen Trip zu buchen,
das wäre wohl zu kühn gewagt.
Muss ich denn grad die Hölle suchen,
wenn Höllenfurcht mich plagt?

Heroisch ist es auszuharren,
wenn dich Verzweiflung übermannt.
Du nennst verfahrn den Weltenkarren?
Zieh selbst, davorgespannt!

Und wär’s in Nano nur zu messen,
dass du ihn aus dem Schlamm bewegst,
dein Leben hätte Sinn besessen,
wenn du zur Ruh dich legst.

Kein Jammern also und Theater,
wenn Voland auch die Sense wetzt.
Ich halt’s wie Fredmans Dichtervater:
Den Krug hoch bis zuletzt!

Ein Vivat fröhlich diesem Tage,
der sich, auch er, zu Ende neigt.
Gab er denn Anlass mir zur Klage?
Nur dass er geht und schweigt.

Im Schöpfungsplane fehlt „Verweilen“;
was sich bewegt, tut’s ohne Rast.
Befehl an Sterne: Eilen, eilen,
Befehl ans Dasein: Kurzgefasst!

Drum lass ich in den Becher fließen
den Wein, als ob ich Bellman wär,
die Stunden selig zu genießen
mit Liedern so wie er.

Glücksmomente

GlücksmomenteGanz oben steht er auf dem Treppchen,
die Goldmedaille um den Hals.
Die war, beim Herkules, kein Schnäppchen,
‘ne Riesenarbeit jedenfalls!

Er lächelt glücklich in die Menge,
reckt seine Arme in die Luft.
Applaus der V.I.P.s, der Ränge.
Schweiß schwärzt ihm seine Sportlerkluft.

Wird dieser Sieg ihm Früchte tragen,
nicht nur des Lorbeers stolzen Kranz?
Sich stellen den Reporterfragen…
Sich konzentrieren voll und ganz…

Der schönste Tag in seinem Leben –
und hat so ungewiss gegraut.
Weiß Gott, er musste alles geben.
Die ganze Welt hat zugeschaut.

Wie feierlich spielt die Kapelle
jetzt nur für ihn das Deutschlandlied!
Der Klang durchströmt ihn wie ‘ne Welle
erquickend bis ins letzte Glied.

Der Gipfel aller Glücksgefühle.
Noch kurz vorm Ziel die Aussicht vag.
Dann löst er sich aus dem Gewühle –
und keiner mit ihm. „So ein Tag…“

Und aus die Hymne. Händeschütteln
mit Nummer zwei und Nummer drei.
An seinem Sieg gibt’s nichts zu rütteln.
Auch der Urin war einwandfrei.

Der Aufmarsch dann der Funktionäre.
Und auch die Presse lauert schon.
Man redet viel von Ruhm und Ehre.
Von „unsrer Heimat großem Sohn“.

Er wird viel Autogramme geben.
Das Telefon steht nicht mehr still.
Sein Marktwert wird sich sprunghaft heben
für Werbung, die Idole will.

Jetzt würd er mal ‘ne Dusche brauchen,
er schwitzt ja, dass es Gott erbarmt;
doch will erst in die Menge tauchen
so lang, bis alle Welt umarmt.

Unsterblichkeit ihm prophezeien
Auguren aus dem Sportressort.
Dem sollte er sein Ohr nicht leihen –
die kam nur bei den Griechen vor.

Im letzten Rennen, das wir laufen,
wie immer auch Rekorden nah,
wird Voland uns den Schneid abkaufen –
ist wie der Igel längst schon da.