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Mehr Sonne

Macht irgendwer sich darum Sorgen,
es möcht der Sonne was geschehn?
Sie kommt ja pünktlich jeden Morgen,
und nie hat man sie säumen sehn.

Sie steigt mit ersten Dämmerzeichen
behutsam übern Erdenrand,
um bald schon rosig zu bestreichen
den Himmel, der ihn überspannt.

Und wandert langsam von der Stelle,
bis sie am Mittag im Zenit,
wo sie in blendend weißer Helle
sich zu ‘nem Punkt zusammenzieht.

Doch mag sie da nicht lange sitzen,
die Hitze lässt ihr keine Ruh,
und leise wie auf Zehenspitzen
läuft weiter sie dem Westen zu.

Da liegt das Ziel der Tagesreise,
das Dunkel unterm Horizont,
das sie auf unsichtbare Weise
mit ihrem gleichen Licht besonnt.

In diesem Rhythmus immer weiter
wie seit Äonen schon vorher:
Der Tag mal wolkig und mal heiter,
doch niemals ohne Wiederkehr.

Ein Kunststück, sich da auszumalen,
dass diese Serie einmal reißt
und auf den innren Sonnenschalen
sie keine Kugel mehr umkreist.

Das aber haben Koryphäen
der Wissenschaft ihr prophezeit,
die tief in ihrem Herzen sehen
die Spuren der Vergangenheit.

Daraus die Zukunft auch erspüren
dank der Prozesse, die man kennt
und die‘s Inferno weiter schüren,
das brodelnd ihr im Busen brennt.

Und ihrer Wallung Hitzegrade,
sie halten damit gleichen Schritt
und teilen schließlich der Fassade,
der Hülle sich der Sonne mit.

Die ging, wer wollte es bestreiten,
nie sparsam um mit ihrem Gut
und lässt sich aus den Fingern gleiten
die aufgeheizte Strahlenflut.

Bist du Planet und auf der Pelle
ihr wie die Mücke ihrem Licht?
Dann fühl, wie aus der Feuerquelle
die Glut dich immer stärker sticht!

Und was da noch an Kreaturen
dir oben auf der Kruste kraucht,
hat auf den kochend heißen Fluren
sein Leben bald schon ausgehaucht.

Zuerst geht’s dem Merkur an’n Kragen.
Das hat der Gute nun davon,
so nah sich an den Kern zu wagen,
viel näher als ein Elektron.

Dann schlägt der Venus schwere Stunde –
so feurig ist der Sonne Kuss,
dass Runde immerzu um Runde
in Qualen sie sich winden muss.

Nun muss die Erde daran glauben,
die Nummer drei im Karussell;
die Grade stets sich höherschrauben,
bis sie ihr abgesengt das Fell.

Die Ströme dürsten und versiegen,
die Meere und die tausend Seen.
Es stirbt das Leben wie die Fliegen
und wird kein Hahn mehr danach krähn.

Der Weltenbrand, den ich entfache
hier auf poetischem Gefild,
hat nichts zu tun mit Panikmache,
wie höhren Orts man gerne schilt.

Er ist so sicher wie das Amen
von jeder Kirchenkanzel her
und auch in dem beschriebnen Rahmen,
als ob’s die Götterdämmrung wär.

Indes muss in Geduld sich üben
ein unerschrockner Defätist,
denn das Desaster kommt in Schüben
erst nach ‘ner größren Galgenfrist.

Noch tausend Millionen Jahre,
sofern der Augur sich nicht irrt,
kriegt sich der Stern nicht in die Haare
mit dem Geschmeiß, das ihn umschwirrt.

Das ist, um sich drauf einzustellen
in seiner ganzen Schwächlichkeit,
für Gottes findigen Gesellen
‘ne sagenhafte Vorlaufzeit.

Da kann er tüfteln und probieren
sein ganzes kurzes Leben lang,
bis schließlich sich die Flops summieren
zu seiner Söhne Forscherdrang.

Die pusseln dann verbissen weiter,
bis mal der große Wurf gelingt,
der einen auf der Himmelsleiter
ein gutes Stück nach oben bringt.

Ob allerdings die Menschenwesen
der Sonne Zorn dereinst entgehn,
darüber könnt ihr hier nichts lesen –
doch in den Sternen wird es stehn.

Finstere Zeiten

Die einem Gott ihr Leben weihen
und alles tun nur ihm zur Ehr,
die Güte als das Gut beschreien,
das als das höchste er sie lehr.

Denn wie ein Vater, der die Seinen
mit Liebe und Verständnis führt,
wolln jede Handlung sie verneinen,
die nur Gewalt und Hader schürt.

Und schreiben auch sich auf die Fahnen,
dass ohne Gier ihr Herz und Geist
und auf asketisch reinen Bahnen
ausschließlich um die Gottheit kreist.

Bei so viel löblichen Gefühlen,
ganz frei von jedem üblen Ruch,
scheint’s doch geboten, mal zu wühlen
in der Geschichte klugem Buch.

Die Kenntnis, die wir da gewinnen,
hat mit dem Anspruch nichts gemein
und zeigt die Kunst nur, fein zu spinnen
sein Seemannsgarn und Jagdlatein.

Meist sieht man Scheiterhaufen brennen
und Köpfe grausig abgehackt,
indes wie Krokodile flennen,
die Pfaffen im Tedeums-Takt.

Und wie sie sich von Tücke trunken
noch weiden an dem fremdem Leid,
zu Bestien herabgesunken
in ihrem seidnen Priesterkleid.

Und das für einen Gott der Liebe?
Sie sahn den Widerspruch nicht mal –
so glühten ihre finstren Triebe
im Feuereifer eines Baal!

Und diese wackren Pfründenjäger,
die Menschen quälten bis aufs Blut,
sie raubten, hohe Würdenträger!,
auch schäbig ihnen Hab und Gut.

Denn saß als Ketzer wer in Händen
der Geistlichkeit erst einmal fest,
dann konnte man sein Gut auch pfänden
fürn Gott, der nichts verkommen lässt.

In ihren selbstgefäll’gen Herzen
war nicht ein Fünkchen Mitgefühl –
glatt warn sie wie Fronleichnamskerzen
und knochenhart wie Chorgestühl.

Warum sie so empfindlich waren,
wenn’s um die reine Lehre ging?
Weil, hergezogen an den Haaren,
das meiste an ‘nem Faden hing.

Wo’s wimmelt nur von Wunderdingen
und ausgeschaltet der Verstand,
muss man das Volk zum Glauben zwingen,
bevor den Schwindel es erkannt.

Man stell sich vor, die Forscher heute,
die doch schon manches rausgekriegt,
sie knechteten die Menschenmeute,
weil Planck und Einstein ihr nicht liegt!

Und deshalb heißt‘s für diese flitzen,
dass ihr Gewissen sich entlädt,
dreimal pro Woche nachzusitzen
im Beichtstuhl einer Fakultät.

Für eher lässliche Vergehen
(„Null Ahnung von ‘nem Weißen Zwerg“),
wird man verdonnert, nachzusehen
in einem Astro-Standardwerk.

Doch wehe, wenn an Basiswissen
es einem Laien mangelt gar,
dann wird der Kopf ihm abgerissen,
und zwar auf eigene Gefahr.

So wie die Trinität zu lästern
der Gipfel einst der Schurkerei,
so, ewig junger Schnee von gestern,
heut E = mc2.

Man muss auch Heilige verehren,
die Leuchten ihrer Wissenschaft,
die, um Erkenntnis zu vermehren,
verausgabt ihre Lebenskraft.

Am höchsten dabei unbestritten,
die man verspottet und bedroht
und so wie Bruno gar erlitten
den christgestützten Martertod.

Zu deren Gräbern kann man wallen
und knien in innigem Gebet,
und Antwort wird schon bald erschallen
mit postmortalem Funkgerät.

Auch ihr, die ew’gen Ruhm erworben,
‘ne eigene Zeremonie –
die für die Forschung ist gestorben,
der mutigen Marie Curie!

Die Hölle mit den irren Qualen
zurück in dumpfe Hirne kroch;
den heut’gen Frevler und Wandalen
schreckt zeitgemäß ein Schwarzes Loch.

Und wie man einst mit heißem Herzen
den „Ketzern“ an die Gurgel fuhr,
bemüht man jetzt sich, auszumerzen
die Penner mit der Perlenschnur.

So wär, vom Glaubensgeist beflügelt,
vielleicht geworden unsre Zeit,
hätt nicht die Wahrheit ihn gezügelt
mit der ihr eignen Menschlichkeit.

So weit, so gut. Die Ignoranten
beachtet man nun weiter nicht;
doch die so aus dem Blick Verbannten,
sie hüten noch ihr altes Licht.

Sie wolln den Irrtum nicht gestehen
und nicht des Hirngespinsts Bankrott
und weiterhin das Heil erflehen
vom schweigenden Placebo-Gott.

Das Fußvolk. Doch die smarten Pfaffen,
die wissen, wie der Hase läuft,
und lassen doch das Kreuz begaffen,
mit dem Pilatus man ersäuft.

Und glotzen mit verdrehten Augen
verzückt empor zum Himmelszelt,
als würden sie den Segen saugen,
den sie bei Petrus vorbestellt.

Seid ihr noch da? Ich schließe lieber.
Hab mich verplaudert wieder mal –
so mittendrin im Versefieber
fand ich nicht gleich das Bremspedal.

Das Fazit schnell in eure Hände,
bevor ich in die Koje saus:
Des Mittelalters wahres Ende,
es liegt Äonen noch voraus.