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Die Tage kürzer

Die Tage kürzerDie Tage kürzer treten.
Der Juni schon verblich.
Im Stübchen die Tapeten
beschatten früher sich.

Wenn ich zum Griffel greife,
der Verse mir verspricht,
spür ich des Tages Reife
schon an dem mürben Licht.

Und zwei, drei Strophen später,
wenn kurz ich Luft mal hol,
herrscht Finsternis im Äther
bis rauf zum Himmelspol.

War nicht die Sonne grade
als Leselicht noch gut?
Auf meinem Musenpfade
die Lampe Dienst nun tut.

Ja, jüngst zu dieser Stunde
hat’s droben noch geblaut,
wo jetzt auf schwarzem Grunde
man’s golden schimmern schaut.

So weiter ohne Ende.
Der Sommer kommt und geht.
Der Herbst. Die Winterwende.
Und schon der Lenzwind weht.

Gewiss ein wüster Reigen,
der sich der Zeit empfahl,
in deren Fluss wir steigen
auch nur ein einz’ges Mal.

Und ich in diesem Schwunge
hielt wirbelnd immer Schritt!
Wie lange macht die Lunge
und alles das noch mit?

So oder so

So oder soEs ist ein heißer Tag gewesen.
Ich saß zu Hause, hab gelesen,
trank Kaffee oder Tee.
So ist er mir dahingegangen,
kaum dass er grade angefangen.
Ade, mein Tag, ade!

Und wär’s ein kalter Tag gewesen,
ich hätt erst recht zu Haus gelesen,
mir dies und das gemacht.
Er wär genauso rasch zerronnen
wie mit dem Morgenrot gewonnen.
Gut Nacht, mein Tag, gut Nacht!

Und wär er heiß und kalt gewesen,
verwundert hätt ich was gelesen,
zur Hand ein Tässchen stehn.
Was auch die Wetterwend’schen bringen,
gewiss ist, dass sie jäh verklingen –
auf Nimmerwiedersehn!

 

Tragödie Faust

Tragödie FaustBeim Dichten seh ich meine Hände
wohl hin und wieder flüchtig an,
doch nicht als Glied, nur als Gelände,
in das ich meinen Griffel spann.

Doch ist mir nie was aufgefallen,
sie schienen stets mir glatt und gleich,
die Finger, Flächen, Höcker, Ballen,
die ich der Welt zum Gruße reich.

Und wie auch nicht? Veränderungen,
wie sie von Tag zu Tag geschehn,
wärn Flöhn nicht mal ins Aug gesprungen,
da sie so suutje vor sich gehen.

Das ist auch eine dieser Tücken,
mit der die Lebenszeit uns narrt:
Nie sichtbar, immer hinterm Rücken
sie leise uns zum Kirchhof karrt.

Nun, jedenfalls besagte Flossen,
die mäßig mein Gemüt erregt,
fast Zügelhalter für den Zossen
nur, der mich zum Parnassus trägt

Ich hab, wer weiß was mich getrieben,
sie einmal länger angeschaut –
die Pumpe wär fast stehn geblieben,
so was von rissig und geraut!

Ein Netz von Furchen und von Falten
durchzieht des Armes Ästuar,
dazwischen, ganz in Blau gehalten,
Geäder unter Haut und Haar.

Und keine Stelle zu entdecken,
die straff noch wäre und gespannt.
Da kann man nur noch Wunden lecken –
was für ein Schlag: Altmännerhand!

Da meint man immer so im Stillen,
man hätt sich nie was vorgemacht –
bis plötzlich dann die Glocken schrillen
und schrecklich man zum Licht erwacht.

Dies Übel lässt sich nicht mehr heilen.
Der Zeitpfeil – ach, ich weiß, ich weiß!
Wie schon gesagt: Die Tage eilen –
heut Gigolo und morgen Greis.

Und keine Chance mehr, zu verdrängen,
dass so ich das Problem umkurv:
Mein Aug hält fest nun in den Fängen
die Haut und ihren Faltenwurf.

Doch glaubt nur nicht, dass ich verzage!
Ich hoffe, dass trotz alledem
die Faust noch lange in der Lage*
zu schreiben – selbst ein Requiem.

*Dabei, bekenn ich unumwunden,
auf Renoir ich mich beruf,
in dessen lahme Hand gebunden
der Pinsel so viel Großes schuf.