Der erste Herbst

herbstDer erste Herbst, den ich erlebe,
seitdem ich aus der Mühle raus
und wohlig noch im Kissen klebe,
geht – klippklapp – alles aus dem Haus.

Es dunkelt noch. Die Morgenkühle
kriecht schlangenhäutig übern Leib –
nur dass ich selber sie nicht fühle,
weil ich im warmen Winkel bleib.

Der Nebel will sich nicht zerstreuen
und trübt das Aug auf lange Sicht.
Was soll’s, mag er noch dichter dräuen,
dann mach ich halt im Stübchen Licht.

Ein Windstoß, und die Blätter stieben,
gigant’sche Flocken, vom Geäst.
Parole: Hinterm Herd geblieben,
ein Hoch dem sturmerprobten Nest!

Natürlich, dieser ew’ge Regen,
der macht die Jahreszeit komplett.
Man glitscht in Laub auf allen Wegen –
ich surf stabil im Internet.

Man würd nicht mal ‘nen Köter jagen
vor diese sprichwörtliche Tür;
der Mensch muss seine Pflicht ertragen
wo immer – vor der Rentnerkür.

Jetzt weiß ich richtig erst zu schätzen,
dass frei verfüg ich übern Tag
und muss nicht durch die Gegend hetzen
bei Hagel, Blitz und Donnerschlag.

Das Feindbild, das vom Herbst ich hatte,
hat sich in Wolken aufgelöst –
hockt man erst einmal weich in Watte,
tut’s nicht mehr weh, wenn jemand stößt.

Nur schade, dass die Uhr des Lebens
uns nach der Winterzeit schon tickt,
bevor denn dieser Herbst vergebens
mit seinen Fratzen uns erschrickt.

O dass man diesem Hamsterrade
der Arbeit möglichst früh entflieht,
damit die letzte Zielgerade
man nicht schon nach der Kurve sieht!

(Ein frommer Wunsch in einem Lande,
das mit „gerecht“ nicht viel am Hut,
regiert von einer Heuchlerbande,
die alles für die Bosse tut.)

Mag’s draußen noch so stürmen, toben,
wenn man nicht ins Getümmel muss!
Mich bringen von dem Fleck hier oben
zehn Pferde nicht. Nur Pegasus.

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