Langer Atem

Langer AtemWenn irgendwie Talent ich hätte,
ich glaub, ich möchte Barde sein,
geduldet an der Musenstätte
mit andern Vögeln im Verein.

Und derart sollte man mich preisen,
dass, wie’s dem Avon-Schwan geschieht,
man in den höchsten Krittelkreisen
mir gar bestreitet so ein Lied!

Doch haben mir die Schicksalszicken
Zeuswotanschiwa sei’s geklagt!,
um gleich mir was am Zeug zu flicken,
das rechte Federkleid versagt.

Anstatt mich himmelwärts zu schwingen
in eines Adlers lyr’sche Höhn,
muss kläglich ich am Boden singen,
bloß wie ‘ne Nachtigall so schön.

Kein Grund indessen, mich zu grämen:
Wenn schon nicht Stars unendlich fern,
will einen Punkt zum Ziel ich nehmen
knapp unter unserm Morgenstern.

Geliefert hab ich manche Probe,
damit den Anspruch ich bestärk,
und – Schimpf, dass ich mich selber lobe! –
zwei Leute schätzen schon mein Werk.

(Darin natürlich eingeschlossen
bist du, o einz’ge Leserin,
die du seit Jahren unverdrossen
ringst mit der Zeilen Zweck und Sinn!)

So fühl ich mich auf gutem Wege
zum Fuß – nicht Gipfel – des Parnass,
wo ich als Opfer hinterlege
des Hirns bescheidnen Aderlass.

Ich hoff, es nehmen auch die Götter,
sich mal die 2. Liga vor,
nicht als der Minderleistung Spötter,
nein, Fans für jedes schöne Tor.

Die alte Weisheit soll mich lehren,
dass man nicht alles haben kann.
Will mich nach Massen nicht verzehren –
mir reicht vorerst der dritte Mann.

Und wenn entsprechend dem Systeme,
das nach dem Schneeball man benennt,
mein Vers in aller Munde käme,
in tausend Jahrn mich jeder kennt.

‘ne kurze Frist, wenn wir bedenken
das Maß der unbegrenzten Zeit
und dass sie reicht, sie ihm zu schenken,
dem Dichter, die Unsterblichkeit.

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