Aussichten

AussichtenVoll Neugier lass ich durch die Scheibe
die Blicke wandern in die Welt –
vom Küchentisch in meiner Bleibe,
der mir als Musenpult gefällt.

Da seh ich auch schon diese Dame,
gestützt auf ihre Fensterbank –
o dass nicht Schatten nur sie rahme,
ein Blumennimbus sie umrank

Weil sie so lieblich da gelegen
wie auf ‘nes alten Meisters Bild
und auch der schönen Treue wegen,
die dieser tristen Aussicht gilt

Die heute Abend ausnahmsweise
von allem Finsteren befreit,
da ihr der Mond auf seiner Reise
ein volles Maß an Glanz verleiht!

Grad steht er übern Fahnenmasten
und stellt in seinem Licht sie bloß:
als Hungertücher, die beim Fasten
schlapp vorm Altar und regungslos.

Doch unaufhaltsam kreist er weiter,
ein Raumschiff ohne Halt und Ziel
und folglich ohne Jakobsleiter
und Gästebetten überm Kiel.

Ab der Trabant. Und ein Getöse
erschüttert jäh die bange Nacht –
dies doppelt, ach, Spektakulöse,
das Lärm und bunte Blitze macht!

Ein Fest, mit Feuerwerk zu feiern!
So’n Jahr ist ja nicht an(t)lassarm –
vielleicht ein Löffellauf mit Eiern,
gesponsert von ‘ner Hühnerfarm?

Vielleicht ein sonstiges Geschehen,
das hochgejubelt zum Event –
ein Wettbewerb im Däumchendrehen,
vor und zurück (der neuste Trend!).

Wie immer auch, die ganze Szene
mit Mond, Spektakel, Fensterfrau,
die ich Vers 2 als „Welt“ erwähne,
ist ja die ewig gleiche Schau

Die hier sich meinem Auge bietet
als winz’ger Bühnenausschnitt nur
von einem Platz, der fest gemietet –
Abonnement rund um die Uhr.

Wohl Welttheater? Pustekuchen!
Nicht mal ein derbes Bauernstück.
Guckloch für Typen nur, die suchen
im Winkel ihr bescheidnes Glück.

Wie auch, dass man es hier vermisse?
Die Zeit, verfließend sonst, gebannt
ins ewig Gleiche der Kulisse.
Verhängt die Spiegel an der Wand!

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